Wenn Geschwister streiten, sich langweilen und sich nicht selbst beschäftigen, ist dies auch für die Eltern eine Herausforderung.
Unsere Kinder spielen nicht zusammen
«Unsere beiden Kinder Remo 7 und Lisa 5 sind in der Familie sehr lebendig und aktiv. Sie wollen spielen, toben und Neues erkunden. Aber leider nicht zusammen, sondern immer mit uns Eltern. Sich selbst allein zu beschäftigen, macht ihnen Mühe. Sie langweilen sich entweder oder streiten sich. Was sollen wir tun, damit sich die beiden Geschwister besser vertragen und lernen, sich auch selbst zu beschäftigen?»
Man sollte eigentlich meinen, dass diese Geschwisterkonstellation ein 7-jähriger Bruder und eine 5-jährige Schwester für das gemeinsame Spielen fast ideal ist. Der ältere Bruder animiert seine Schwester zum Spiel, zeigt ihr, wie man es macht und hilft ihr. Und die kleinere Schwester ahmt ihn gerne nach. Wenn es ihr zu viel wird, weil das Spiel beispielsweise zu knabenhaft ist, schaltet sie ab und spielt auf ihre mädchenhafte Weise alleine oder versucht ihren Bruder dafür zu gewinnen. Auch wäre es ganz natürlich, wenn die Geschwister in einen Konflikt geraten würden und diesen aus eigener Kraft meistern würden. Unter dem Erleben solcher Konflikte nehmen die Kinder die sozialen Ordnungen wahr. Vor allem aber ist es für sie wichtig, die Rangordnung im System der geschwisterlichen Reihenfolge zu geniessen, zu erleiden und anzunehmen.
Warum aber ist es bei diesem Geschwisterpaar anders? Wie lernt ein Kind zu spielen? Von der Entwicklungspsychologie wissen wir, dass Kinder in der ganzen Welt seit jeher keine Anleitung durch Erwachsene brauchen, um die Fähigkeit zum Spielen zu entfalten. Genauso spielt ein Kätzchen ohne eine grosse Katze herum. Dazu regt es seine Entdeckungs- und Nachahmungslust sowie die Freude an der eigenen Wirksamkeit und Phantasie an. Allerdings brauchen Kinder bei bestimmten Spielen die Anleitung durch einen Älteren. Gemeint sind Regelspiele, Kartenspiele oder Fussball, die nicht willkürlich nach der eigenen Phantasie, sondern nach allgemein bekannten Ordnungen durchzuführen sind.
In dem genannten Falle scheint der Einfluss der Eltern viel zu mächtig zu sein. Sicherlich meinen sie es gut. Eine scheinbare Bestätigung erfolgt durch das Gelingen des gemeinsamen Spieles. Es entgeht ihnen aber, dass durch das hohe Niveau des erwachsenen Denkens die spielerische Kreativität der Kinder gehemmt wird. Offensichtlich haben sich die Kinder daran gewöhnt, beim Spiel bedient zu werden – und das sowohl in Bezug auf die Organisation des Spieles als auch auf das Schlichten der entstandenen Konflikte. Möglicherweise entstehen die Konflikte dadurch, dass unter der Wirkung der mitspielenden Eltern die Kinder zu ebenbürtigen Spielpartnern gleichgeschaltet werden, denn dadurch entgeht dem Erstgeborenen die Ehre des Älteren und die Jüngere unterliegt der Täuschung genauso toll wie der Grosse zu sein.
Jedenfalls ist es ratsam, dass die Eltern auf die Reihenfolge im System der Geschwisterreihe achten. Hierbei sind die Rechte und die Pflichten massgebend. Der Erstgeborene ist der Grosse, der der Kleinen hilft. Die Zweitgeborene lernt von dem Grossen und nützt das Recht, sich von ihm helfen zu lassen bzw. dagegen zu streiken.
In die entstandenen Konflikte sollten sich die Eltern als Schiedsrichter nicht einmischen. Meist sind sie beiden gegenüber ungerecht. Es gehört zur Autonomie der Kinder, die Konflikte selber auszutragen, indem sie sich natürlich nach bestimmten, durch die Eltern eingeführten Fairness-Regeln richten.
Aus dem gemeinsamen Freispiel sollten sich die Eltern zurückziehen und sich lediglich auf die Regelspiele beschränken.