Kinder sollten schon früh erleben und erfahren, dass sie sich für die Umwelt einsetzen können. Zahlreiche Organisationen bieten Programme an, in denen Kinder und Jugendliche lernen, wie sie ihre Lebensweise mit den Ressourcen unseres Planeten in Einklang bringen können.
Taten statt Worte – Umweltschutz mit Kindern
«Umwelt» wird heute meist mit Zerstörung, Katastrophen, Angst und Verzicht verbunden. Was denkt sich wohl ein Kind, wenn es die Bilder im Fernsehen sieht, die seit Wochen zur Ölkatastrophe in den USA über die Bildschirme flimmern? Aber was kann ein einzelnes Kind für den Schutz der Umwelt und des Klimas beitragen? Kann man als Kind oder Familie globale Probleme lokal angehen? «Man kann», sagt Markus Gander von Infoclick Schweiz.
Der Begriff «Öko» hat für viele einen negativen Beigeschmack. «Das müssen wir ändern», sagt Retze Koen, Verantwortlicher für die Jugend-Solar-Projekte bei Greenpeace Schweiz. Er setzt sich mit viel Engagement seit über zehn Jahren dafür ein, dass Kinder schon früh lernen, dass wir beschränkte Ressourcen haben auf dieser Welt. Das Wissen allein genügt jedoch nicht. Es braucht das Handeln, im Alltag und in der Freizeitgestaltung. So baut er mit Kindern Solaranlagen und bäckt damit zum Beispiel Brownies.
Eltern können mit ihren Kindern in die Natur gehen. Auf diese Weise lernen Kinder, die Natur zu mögen. Und etwas, was man mag, will man auch beschützen. Aktivitäten in der Natur haben viele Effekte: Kinder lernen beobachten, sich bewegen, bauen durch positive und berührende Momente eine emotionale Bindung zur Natur auf und lernen, Zusammenhänge zu erkennen.
Allgemein bekannt und anerkannt ist, dass sich die Ausübung eines Sportes im Kindesalter positiv auf die körperliche und geistige Entwicklung auswirkt. Bedingt durch die Veränderung unseres Lebensraumes – vor allem in Städten – wird das Spielen auf der Strasse oder in der freien Natur zunehmend eingeengt. Kinder aber brauchen das Geheimnisvolle, die Möglichkeit, spannende Abenteuer zu erleben. Bergsteigen zum Beispiel kann hier Ersatz bieten: Bewegung in der Natur und soziale Begegnung in der Gruppe. Bergsteigen, insbesondere das Kinderklettern sind Aktivitäten, die viel zu guten Erlebnissen in der Natur und mit der Natur beitragen. Auch hier lernen Kinder, für sich und für die Umwelt Verantwortung zu übernehmen. Der Schweizer Alpenclub SAC bietet bereits für Kinder ab 6 Jahren zahlreiche Angebote für Familien an: Bergsteigerlager gemeinsam für Kinder und Eltern im Sommer oder Camps mit Schneeschuhen im Winter. Hier wird unter Anleitung soziales Verhalten geübt und ein Nebeneinander von Mensch und Natur in der Bergwelt gefördert. Ein Besuch auf seiner Website lohnt sich.
«Ob Freizeit oder Alltag – Eltern müssen sich für Freiräume einsetzen.»
Marco Hüttenmoser, Netzwerk Kinder und Umwelt
Kinder interessieren sich für alles, was sich um sie herum ereignet. Sie entdecken die Dinge auf ihre eigene, sehr intensive Art. Kinder sehen die Dinge nicht nur intensiv an, sondern fassen sie auch an. Als Erwachsene können wir viel von Kindern lernen, denn nur allzu oberflächlich und «nebenbei» betrachten wir unsere Umwelt. Zunächst geht es gar nicht um Umwelterziehung, zuerst geht es ganz einfach darum, dem Kind schon früh, mit ein zwei Jahren, einen neugierigen Zugang zur Umwelt zu ermöglichen. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Katze handelt oder um Dornen eines Brombeerstrauches oder einen Pfannendeckel, ob Freizeit oder Alltag. Dieser erste Schritt bedarf noch der direkten Begleitung durch vertraute Bezugspersonen. Später kommt die Zeit, in der das Kind selbstständig ins Freie will und eigenständig seine Umwelt erforschen möchte. Leider fehlen vielfach die Räume, in denen das Kind Erfahrungen weitgehend ungefährdet machen kann. Ein Besuch im Wald, Spaziergänge, der Besuch öffentlicher Spielplätze sind gut.
Jedes Kind sollte jedoch auch die Möglichkeit erhalten, seine Wohnung und sein Haus schon früh selbstständig zu verlassen, um im Wohnumfeld eigenständig Erkundungen zu machen und dort im Spiel mit andern Kindern seine Erfahrungen zu teilen, zu vertiefen und zu erweitern. Hier ist es Aufgabe der Eltern, sich für solche Freiräume einzusetzen. Sich mit andern Eltern zusammenzuschliessen, Eingaben zu schreiben und bei den Hausbesitzern, bei der Gemeinde zu protestieren, wenn das Wohnumfeld durch den Strassenverkehr gefährdet oder durch Parkplätze verstellt ist. Unsere Umwelt ist komplex und zum Teil gefährlich. Am Prinzip der Hinführung der Kinder ändert sich dabei nichts. Auch der Strassenverkehr ist für Kinder zunächst ein «Objekt der Neugier». Es bedarf einer intensiveren Begleitung, bei der die Kinder die Gefahren des Strassenverkehrs kennen lernen und genau wie bei den Brombeerstauden den nötigen Respekt lernen. Es kann hier aber nichts riskiert werden. Diese «Staude» könnte tödlich sein und es braucht Massnahmen, insbesondere im Wohnumfeld, etwa in Form von Begegnungszonen, die es den Kindern erlauben, sich mit der Umwelt vertraut zu machen. Vertrauen ist jedoch die unersetzliche Voraussetzung für jedes spätere Engagement für die Umwelt.
«Auch unsere Kinder können Verantwortung übernehmen»
Fabia Fischli, WWF Schweiz
Kinder sind die zukünftige Generation: die zukünftigen Entscheidungsträger, Politiker oder Konsumenten. Kinder haben zwar selber kaum Geld, sie üben aber einen starken Einfluss auf umweltrelevante Konsumentscheide einer Familie aus. Eltern können den Alltag so gestalten und vorleben, dass ihre Kinder lernen, schonend mit den Ressourcen umzugehen. Um die Umwelt zu schützen, reicht es nicht, zu wissen, wo die Probleme liegen. Ganz praktisches Wissen, wie man die Umwelt schützt, ist auch sehr wichtig. Kinder können früh lernen, Verantwortung zu übernehmen. Schauen wir die Bereiche Verkehr, Ernährung und Wohnen an: Zum Beispiel kann man mit dem Zug in die Ferien reisen, anstatt mit dem Flugzeug – und den Kindern erklären, dass Fliegen die Umwelt stark belastet. Der tägliche Einkauf ist meist leicht zu Fuss, mit dem Velo oder dem Bus zu bewältigen, ebenso der Gang in die Schule oder ins Fussballtraining.
Und: Es braucht viel Energie, um Früchte oder Gemüse in die Schweiz zu transportieren. Es ist also sinnvoll, zu warten, bis bei uns die Früchte reif sind, also saisonale und lokale Produkte zu kaufen. Auch sollten wir weniger Fleisch essen, denn Fleisch verbraucht enorme Ressourcen für die Produktion. Auch beim Wohnen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Kindern vorzuleben, wie unsere Ressourcen geschont werden können, hier ein paar Beispiele: das Licht löschen, wenn es nicht gebraucht wird, elektronische Geräte immer ganz ausschalten und nicht auf Standby lassen, Energiesparlampen statt herkömmliche Glühbirnen einsetzen, Recyclingpapier benutzen, die Wäsche nicht in den Tumbler, sondern in der Luft trocknen lassen. Winter ist nicht Sommer, deshalb ist es klüger, einen warmen Pullover anzuziehen, die Heizung zwei Grad tiefer einzustellen, so spart man schon viel Energie.
«Kinder müssen Umweltpioniere.»
Markus Gander, Geschäftsführer Infoklick.ch, Kinder- und Jugendförderung Schweiz
Die Gletscher schmelzen weg. Unberechenbare Wetterkapriolen führen vermehrt zu Überschwemmungen oder langen Hitzeperioden. Ölkatastrophen verwüsten ganze Küstenstreifen. Themen, die auch an Kindern nicht spurlos vorbeigehen. Aber was kann ein einzelnes Kind für den Schutz der Umwelt und des Klimas beitragen? Kann man als Kind oder Familie globale Probleme lokal angehen? Man kann! So entwickelten Jugendliche des Vereins Nomatark in Basel einen CO2-neutralen Workshop-Pavillon, der sich energetisch selbst versorgt. Das mobile Klassenzimmer wird mit dem Fahrrad transportiert und mit einer ausgeklügelten Solartechnik mit Strom versorgt. Beim Projekt viva con agua sammeln Jugendliche an Openairs die Retourbecher ein und verhelfen mit den Depoteinnahmen Menschen in Südamerika zu sauberem Trinkwasser.
In Winterthur betreiben junge Menschen ein Openair-Kino, das mit dem Velo transportiert und mit Solarstrom betrieben wird. Das sind alles kleine Beispiele, die zeigen, dass auch im Kleinen und von Kindern grosse Beiträge zum Schutz von Natur und Klima geleistet werden können. Damit aus Kindern Umweltpioniere werden, ist es wichtig, dass sie früh die Natur erleben und die Zusammenhänge kennen lernen. Der erste Schritt zur Umweltverträglichkeit ist das eigene Verhalten. Das sind einfach Dinge, die Kinder primär von ihren Eltern lernen. Zu Fuss in die Schule gehen oder das Einkaufen von regionalen und saisonalen Produkten hilft der Umwelt und der eigenen Gesundheit. Wenn Kinder früh verstehen und selber erfahren, wie unsere Umwelt funktioniert, sind sie später fähig, sich zu engagieren. Sie sind es schliesslich, die in der Welt von morgen leben und diese gestalten.
«Vögel aus nächster Nähe.»
Christa Glauser, stv. Geschäftsführerin Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz
Der SVS/BirdLife Schweiz führt zwei Naturschutzzentren, eines in La Sauge am Neuenburgersee und das andere am Neeracherried im Zürcher Unterland. Beide Zentren bieten Familien ein reichhaltiges Beobachtungs- und Naturerlebnisangebot, so zum Beispiel durch spezielle Beobachtungshütten, aus denen Vögel, wie z.B. der Eisvogel, aus nächster Nähe beobachtet werden können. Der SVS/BirdLife Schweiz besteht aus rund 450 Natur- und Vogelschutzvereinen und über 70 Jugendgruppen. Die Vereine führen Exkursionen durch, oft auch spezielle Familienexkursionen oder auch Jugendplausch- oder Ferienpasstage. Dabei geht man thematisch oft von den Vögeln aus, häufig wird aber das ganze Spektrum an Naturthemen abgedeckt. Die Mithilfe bei der Nistkastenreinigung kann für Kinder und Erwachsene gleichermassen erlebnisreich sein. Am Internationalen Zugvogeltag gibt es jeweils europaweit Gelegenheit, den Vogelzug unter kundiger Anleitung zu beobachten.
Da Vögel keine Landesgrenzen kennen, müssen Brutgebiete und Rastplätze auf den Zugrouten und Winteraufenthaltsgebiete gleichermassen geschützt werden! Naturnah gestaltete Gärten und Siedlungsbereiche sind der unmittelbare Spielbereich der Kinder. Je vielfältiger ein Garten mit einheimischen Bäumen, Büschen und Pflanzen gestaltet wird und verschiedene Strukturen wie Hecken, Wiesen, Kies- und Sandflächen, Feuchtstellen sowie Asthaufen aufweist, umso reichhaltiger ist die Tierwelt in einem Garten. Kinder gehen hier regelrecht auf Safari, entdecken, erforschen, gestalten. Dieser Forscherdrang ist bei fast allen Kindern vorhanden. Untersuchungen haben gezeigt, dass Kinder auf naturnahen Spielplätzen kommunikativer, innovativer und gesünder sind, als Kinder in konventionellen Grünräumen. Zudem kommen sie direkt von klein auf mit der Natur in Kontakt und lernen sie kennen und schätzen.
«Was man nicht kennt und liebt, wird man später nicht schützen.»
Claudia Tschudin, Forstwartin und Naturpädagogin, Waldenburg
Kinder sind glücklich, wenn sie mit ihrer Familie die Natur erleben können. Dazu benötigt es nicht viel. Eine kleine Wanderung, Feuer machen, Picknicken und Zeit zum Entdecken und Spielen. Gefühle und sinnliche Erfahrungen sind von grosser Bedeutung, wenn es darum geht, das Umweltbewusstsein zu fördern. Sie schaffen einen ganz persönlichen Zugang zur Natur und ermöglichen es, den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt zu erlernen. Im Oberen Hauenstein (im Kanton Baselland) haben sich vier Forstreviere zusammengeschlossen und ein Projekt entwickelt, das bei künftigen Generationen das Verständnis für den Wald fördern will. Als Waldpädagogin versuche ich, bei Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen das Interesse für den Wald zu wecken. Der Wald ist eine Märchenwelt mit Zwergen, Feen und Waldgeistern.
Für Kinder der Unterstufe sind Sinneserfahrungen besonders wichtig; wir schulen diese mit abwechslungsreichen Spielen. Ein Beispiel: Die Kinder sammeln verschiedene Waldmaterialien. Sie mischen sie in einem Becher und es entsteht ein wunderbar duftender Waldcocktail. Diese Aufgabe weckt das Interesse der Kinder an den verschiedenen Waldmaterialien und ist eine schöne Aufgabe für die Sinne. Grössere Kinder interessieren sich für die Lebensweise der Tiere; sie kommen begeistert mit auf Tierspurensuche. Wir gestalten mit Waldmaterialien wunderbare Kunstwerke. Mit Schülerinnen und Schülern in diesem Alter können bereits forstliche Arbeiten ausgeführt werden wie Pflanzungen oder Schlagräumungen. Auf einer Exkursion mit einer Oberstufenklasse wird die Waldwirtschaft genauer unter die Lupe genommen. Die Jugendlichen erfahren mehr über die Aufgaben der Forstwirtschaft. Beim «Handholzerei-Event» fällen Schülerinnen und Schüler wie in früheren Zeiten einen Baum. Der Fall des Baumes ist ein Erfolgserlebnis für das ganze Team.
«Es braucht Taten, nicht nur Worte.»
Retze Koen, Verantwortlicher Jugend-Solar-Projekte, Greenpeace Schweiz
Es fing 1996 an: Wir fragten uns: Wie bringen wir Kinder und Jugendliche dazu, selber für die Umwelt aktiv zu werden? Bei kleinen Kindern ist es einfacher, sie können mit Basteln ans Thema geführt werden. Generell muss sich eine Heranführung an das Kapitel Umwelt an den Lebenswelten der Kinder orientieren. Wir entschieden uns, Kindern die Solarenergie näherzubringen, mit ihnen Solarspielzeuge zu bauen und später Solaranlagen. Es war ein anspruchsvoller Weg, weil wir dazu keine Bücher oder Lehrmittel fanden, wir mussten didaktische Überlegungen anstellen und selber Programme entwickeln. Mit dem Solarprojekt von Greenpeace Schweiz gehen wir nun seit über zehn Jahre neue Wege in der Umweltbildung: Mit dem Leitsatz «Taten statt Worte» bauen wir zusammen mit Kindern und Jugendlichen aus der ganzen Schweiz Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden und sozialen Einrichtungen. Bis heute waren über 10000 junge Menschen involviert und mehr als 180 Anlagen konnten realisiert werden. Schon mit 12-jährigen Kindern respektive Jugendlichen kann man Solarpanels montieren.
Generell gilt, dass wir Erwachsenen den Kindern oft zu wenig zumuten. Behörden, Handwerker, Architekten können sich das oft gar nicht vorstellen. Doch: Wenn solche Projekte gut organisiert sind, werden sie zum Gewinn für alle Beteiligten. Durch diesen praktischen Ansatz wird auch aktiv für den Klimaschutz gekämpft. Denn damit werden zwei Dinge gleichzeitig gewonnen: Unterstützung von Kindern und Jugendlichen und ein Beitrag zum Umweltschutz. Zusätzlich hat das Projekt eine Kerngruppe von aktiven, interessierten jungen Leuten, die an Solarenergie-Projekten mitdenken, planen und organisieren. Wichtig sind auch die Zivildienstleistenden. Sie arbeiten während sechs Monaten hoch motiviert mit. So zum Beispiel führten sie im letzten Juni an einer Schule im Kanton Zürich mit über 40 Schülerinnen und Schülern Solar-Experimente durch. Sie backten mit Solarkochkisten Brownies und orteten in ihrer Schule die stromfressenden Geräte. In den Sommerferien dann montierten sie eine Solarstromanlage auf das Dach ihrer Schule. Am Schluss waren die Kinder richtig stolz und zufrieden.