Ist ein Mann besser jung, wenn er Vater wird, oder bringt die Reife erst die notwendige Geduld mit sich?
Vater sein – jetzt oder nie
Beides hat Vor- und Nachteile. Weniger ideal scheint der nicht mehr ganz so junge Mann um die 30 zu sein, bei dem die Karriere im Vordergrund steht. Der Zürcher Psychologe und Psychotherapeut Allan Guggenbühl hat sich ausführlich Gedanken über das Vatersein und die männliche Rolle in unserer Gesellschaft gemacht. Vor allem aber: Er ist selber Vater von drei Kindern.
In die Pflicht genommen wurde er im Alter von 29 Jahren. Über das beste Alter, Vater zu werden, sagt er: «Jüngere Väter sind risikofreudig und nehmen ihr Kind oft als selbstverständlichen Teil ihres Lebens wahr. Bei älteren Paaren hingegen, die manchmal jahrelang auf den Kindersegen warten und womöglich noch medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, erhalten die Kinder eine derartige Bedeutung, dass auf den Kleinen automatisch ein grosser Erwartungsdruck lastet.» Umgekehrt kann die Jugend auch ein Nachteil sein und die Väter sehen zu sehr sich und das, was sie noch erleben wollen. Ein relativ junges Alter bringt allerdings noch einen weiteren Vorteil mit sich. Allan Guggenbühl erklärt: «Diese Männer können auch dann noch ihre Rolle wahrnehmen, wenn sie 70 und der Sohn 50 ist. Es wird oft vergessen, dass man einen Vater und eine Mutter ein Leben lang braucht.» Zumindest können sie länger Ratgeber, Freund und Vorbild sein, als wenn der Vater bei der Geburt seines Kindes schon 50 ist. Anstatt dem jungen Erwachsenen zwischen 20 und 40 beim Auffinden und Beschreiten seines Lebenswegs zur Seite zu stehen, haben ihre Kräfte vielfach bereits stark nachgelassen, so dass sie im schlimmen Fall sogar eine Belastung für die Familie werden.
Väter um die dreissig haben noch nicht die Gelassenheit älterer Väter, aber auch nicht mehr die Unbeschwertheit der jungen Väter. Ausserdem sind viele Männer in diesem Alter in die berufliche Entwicklung eingebunden und gehören deshalb tendenziell eher zur Gruppe der 20-Minuten-Väter. Im Alter um die 40 sieht Allan Guggenbühl wieder Vorteile, Vater zu werden. «Sie haben ihre Weltreise hinter sich, haben beruflich Tritt gefasst und sich sonst das eine oder andere Abenteuer gegönnt. Ihr Herzblut hängt nicht mehr so sehr an der eigenen Entwicklung, sondern sie sind eher bereit etwas Neuem Raum zu geben. Vor allem auch, weil sie auch etwas hinterlassen wollen.»
Anders sieht es aus, wenn die Kinder wählen dürften. Als Kleinkinder würden sie wahrscheinlich einen jungen Vater auswählen, der mit ihnen spielt und auch bereit ist, Streiche mitzumachen. Ältere Kinder suchen im Vater eine Person mit der sie sich auseinander setzen können und der für sie aber auch ein Vorbild ist. Allan Guggenbühl macht allerdings klar, dass er diese Angaben keineswegs als Regel versteht. Auch nicht bei der Frage nach einem möglicherweise zu grossen Altersunterschied von Vater und Mutter. «Da gibt es alles. 60-Jährige Väter mit einer halb so alten Partnerin, oder eine 40-Jährige Mutter mit einem 20-Jährigen Partner. Es kann bestens funktionieren, während manchmal so genannt ideale Voraussetzungen zu schlechten Ehen führen.»
Ein Kind verändert das Leben der Eltern radikal. Die Partnerschaft wird eine Dreierbeziehung, das System Familie bekommt eine neue Basis. Für Allan Guggenbühl ist es deshalb wichtig, dass sich die Männer und werdenden Väter dessen bewusst sind. «Er traut sich oft nicht mehr der zu sein, der ein Risiko eingeht und etwas wagt, beruflich oder privat. Solche Eigenschaften empfinden viele frisch gebackene Mütter als Bedrohung, und die Männer passen sich deshalb an. Sie wollen gute Väter sein und vergessen darob ihre eigenen Bedürfnisse.» Dass andere Bedürfnisse da sind, verdeutlicht sich ansatzweise, sieht man an lauen Sommerabenden, wenn Mann vom unbedingten Drang getrieben wird zu grillen. Ein Bier in der Hand, ein Kumpel dabei, das Feuer, die Steaks und Würste, das alles macht dieses Abendessen zu einem männergerechten Event. Doch diese Momente sind eher selten. Allan Guggenbühl sagt: «Viele Männer sind sich ihren Bedürfnissen nicht bewusst. Sie sind liebevolle Väter, spielen mit ihren Kindern auf dem Boden, machen ihre Sonntagsspaziergänge mit der Familie, helfen im Haushalt, halten Ordnung und wundern sich, dass sie immer unglücklicher werden. Schliesslich haben sie gelernt, das Baby zu wickeln, es zu massieren und zu füttern, aber nicht, wie selber seelisch mit der neuen Situation umzugehen.»
Die Veränderungen im Leben des Mannes und Vaters seien manchmal banal, aber sichtbar. So würden beispielsweise Männer untereinander häufig und gerne stehend kommunizieren und leben dies in den Bars auch aus. Doch zu Hause sitzen auch sie. Irgendwann kompensieren viele Männer dieses geregelte Leben und suchen Herausfor-derungen. Beispielsweise fahren sie plötzlich bis zum Umfallen Rad, sie nehmen an Marathons teil oder stellen die ganze Wohnung mit technischen Apparaturen voll. Und manchmal komme es dann früher oder später zum grossen Knall, zur Flucht des Vaters aus der Familie.
Erschwerend wirkt laut Allan Guggenbühl die heutige gesellschaftliche Struktur. Früher wohnten die Grosseltern ganz nahe im Stöckli. Selbst in den Städten gab es ein dichtes soziales Netz, angefangen vom Bäcker über die Tante Emma in ihrem Laden bis hin zu den aufmerksamen Nachbarn und Hausmeistern. Sie alle waren auch nahe am Kind, haben es auch mal zurechtgewiesen oder belohnt. Das entlastete die Familien. Heute seien viele Kleinfamilien in ihren Wohnblocks isoliert und mit ihren Schwierigkeiten bei der Kindererziehung alleine.
Allan Guggenbühl plädiert deshalb dafür, dass Männer wie Frauen ihre Nischen pflegen. «Nichts ist schlimmer, als wenn Paare glauben, sie müssten alles gemeinsam machen. Dieser Wunsch geht von identischen Wesen mit gleichen Bedürfnissen aus. Die Väter sollen ruhig mal alleine oder mit ihren Kindern, aber ohne die Mutter Ferien machen.» Der Stil sei dann zwar anders, für die Kinder aber bestimmt nicht weniger att-raktiv. Wichtig sei, dass die Partnerin dies nicht als Liebesentzug empfinde, wenn der Vater mit seinen Kindern oder alleine in die Ferien will. Beide Partner sollten die Pflege solcher Nischen als Bereicherung ihrer Beziehung sehen.
Ein guter Vater ist nach Ansicht Allan Guggenbühls ein Mann, der sich selber treu ist und sich nicht bei den Kindern anbiedere, in dem er alle ihre Hobbies mitmacht. Die Kinder müssen sich am Vater reiben können. Dafür sollte er den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder gerecht werden. Die Buben suchen beispielsweise oft über Sach-themen wie Musik, Fussball oder Politik die Auseinandersetzung mit ihrem Vater während Töchter eher erwarten, dass er sich für sie interessiert und im Gespräch an ihrem Leben teilnimmt.