In den schwierigen Zeiten sehnen sich viele nach Urlaub und Erholung. Doch die Planung bleibt wegen Corona schwierig. Flexibel bleiben die Familien im Hinblick auf die Ferienplanung in etwa dann, wenn sie mit dem Fahrrad verreisen. Die Route kann meist ganz unkompliziert angepasst werden – und auch die Schweiz bietet viele Sehenswürdigkeiten und schöne Orte. Was bei Ferien mit dem Fahrrad alles zu beachten gibt, verrät Yves Albrecht, Leiter Produktmanagement bei «Veloplus», im Interview.
Wir sind mit dem Rad da
Die Coronakrise wirbelt nach wie vor alles durcheinander. Wie ist es um Ihre Branche bestellt? Die Fahrradwerkstatt durfte ja auch während des Lockdowns geöffnet bleiben.
Das Velo boomt – daher geht es der Branche aufgrund der Nachfrage sehr gut. Allerdings bringt es auch viele Herausforderungen für Hersteller, Lieferanten und Händler mit sich, was Lieferzeiten, Produktionskapazitäten und Verfügbarkeiten betrifft. Natürlich war es ärgerlich, als wir unsere zehn Läden Anfang des Jahres schliessen mussten. Allerdings war der zweite (Teil-)Lockdown nicht mit jenem im Jahr 2020 zu vergleichen. Damals traf es die Branche mitten in der Hochsaison. Wir haben jedoch das Glück, in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet zu haben und waren gut aufgestellt, um die grossen Einbussen aufgrund der geschlossenen Läden online ein wenig abzufangen. Unsere Werkstätten in allen Läden konnten 2020 wie auch beim Lockdown 2021 offen bleiben. Das ist wichtig und richtig, denn wenn viel Velo gefahren wird, müssen die Zweiräder auch entsprechend gewartet werden können. Die Werkstätten sind deshalb systemrelevant.
Viele Familien machen sich Gedanken darüber, ob und wie sie diesen Frühling und Sommer verreisen können. Familienreisen mit dem Fahrrad (E-Bike) dürften hier eine willkommene Abwechslung sein.
Bereits vor Corona war der Trend zu Veloreisen, vor allem in Form von Bikepacking, spürbar. Aufgrund der Einschränkungen blieb 2020 das eigene Reiseziel die Schweiz. Die Menschen entdeckten das Velo, aber auch die Schweiz neu – und es ist überaus erfreulich, dass sie dies mit einem emissionsfreien Fortbewegungsmittel tun. Es gibt viele Velofahrer, die für solche Abenteuer auf ein motorisiertes Velo verzichten. Und viele sind erstaunt, wie weit man – seien es auch nur während drei, vier Tage – mit dem Velo kommt. Für die Flexibilität spielt es jedoch keine Rolle, ob mit oder ohne E-Bike. Denn die ist bei Veloreisen verglichen zu anderen Reisemöglichkeiten sowieso am höchsten. Und das Resultat eines unvergesslichen Abenteuers ist dasselbe, ob mit oder ohne E-Bike. Der Verkauf von E-Bikes ist aber nach wie vor steigend. Daher liegt es auf der Hand, dass künftig auch mehr E-Bikes auf Veloreisen, ob für ein (verlängertes) Wochenende oder länger, zu sehen sind.
Für welche Familien sind Reisen mit den E-Bikes geeignet?
E-Bike-Ferien mit der Familie sind für alle geeignet. Doch Vorsicht: In der Schweiz ist es nicht erlaubt, dass Kinder unter 14 Jahren mit einem E-Bike fahren. Es gab zwar jüngst grünes Licht für eine Gesetzesanpassung, diese dürfte allerdings noch etwas dauern. Eltern müssen daher darauf achten, dass sie mit ihren E-Bikes den Kindern nicht davonfahren. Wer mit Kinderanhänger oder Kindersitz unterwegs ist, der kommt aber natürlich in den vollen Genuss einer E-Bike-Familienreise.
Worauf muss geachtet werden, dass solche Familienreisen eine schöne Zeit wird?
Wichtig ist: Ein kinderfreundliches Ziel zu haben, damit die Kinder motiviert sind. Ebenfalls hilfreich ist es, wenn Kinder selbst mit dem Velo fahren: Die Kinder etwas mit dem Velo transportieren zu lassen, auch wenn es nur das eigene Plüschtier ist. Und nicht minder wichtig: Die Route sollte für jeden Tag geplant werden, und die Möglichkeiten der Akku-Reichweite nicht aufs letzte Prozent ausgenutzt werden. Denn wer mit leerem Akku noch einen weiten Weg vor sich hat, dem vergeht die Freude ganz schnell.
Gibt es einen Tipp in Bezug auf die Routenzusammenstellung, was vielleicht gerade für Anfänger geeignet ist?
Ganz wichtig für Velofamilienferien: Nehmen Sie sich nicht zu viel vor! Für Kinder muss es keine Umrundung der Schweiz sein. Für sie ist die Reise so oder so ein Riesen-erlebnis, da reichen schon 100 Kilometer.
Es gibt ja viele Möglichkeiten, Kinder zu transportieren: von Follow-Me bis hin zum Anhänger. Was macht ab welchem Alter Sinn?
Grundsätzlich können Kleinkinder bereits sehr früh ein Veloabenteuer miterleben. Eigentlich schon wenige Wochen nach der Geburt, dies dank Baby-Hängematten und -Einsätzen. Aber Vorsicht: Bis halbjährig reagiert das Hirn sehr empfindlich auf Erschütterungen. Es ist daher von längeren Reisen und vor allem von unebenen Untergründen abzuraten. Später ist das aber überhaupt kein Problem. Der Übergang vom Anhänger zum Follow-Me zum eigenen Velo will jedoch gut überlegt sein. Ein Kind kann nicht ad hoc eine ganze Reise auf dem Follow-Me mitmachen – dafür wird es zu schnell müde und das Sicherheitsrisiko zu hoch. Erst recht, wenn man mit dem E-Bike und etwas höherer Geschwindigkeit unterwegs ist. Eine Kombination, bei dem das Follow-Me genauso wie der Anhänger dabei ist, ist deshalb ratsam. So können die Kinder jederzeit wählen, was sie gerade möchten – und können auch mal im Anhänger ausruhen, wenn Mami und Papi noch die letzten Kilometer etwas zügiger vorankommen wollen.
Und ab wann können die Kinder mit ihrem eigenen Velo die Reise antreten?
Es ist schwierig, sich an Altersgrenzen zu orientieren, denn die individuelle Entwicklung des Kindes ist da sehr entscheidend. So kann auch die Frage nicht pauschal beantwortet werden. Die Reise, die Distanz, die Höhenmeter, die Dauer sind massgebend. Man sollte die Kinder daher nicht überfordern, sonst vergeht die Freude am Velofahren – dann sind Veloferien mit der Familie sehr schnell unmöglich.