Die ersten Pflanzen spriessen, die Sonne wärmt – eigentlich müssten wir nach dem langen und kalten Winter fit sein. Doch bei vielen macht sich stattdessen eine grosse Müdigkeit breit. Rund um das Thema «Frühjahrsmüdigkeit» gibt es viele Vorurteile. Der Drogist Kurt Altermatt gibt Tipps, wie man leichter durch die Übergangszeit kommt.
Weshalb die Ernährung gerade im Frühling eine so grosse Rolle spielt
Nach den oftmals langen und tristen Wintermonaten freuen wir uns auf den Frühling. Doch viele von uns sind dann besonders schlapp. Ist das Einbildung oder gibt es die Frühjahrsmüdigkeit wirklich?
Die gibt es wirklich, sie ist ein natürlicher Prozess im Jahresablauf. Und vielleicht ist sie auch ein gutes Geschäft – viele Menschen leiden unter der Müdigkeit.
Worauf ist sie denn zurückzuführen?
Auch wenn das Thema nicht neu ist: Die Ernährung spielt dabei eine grosse Rolle. Früher hat man während der kalten Jahreszeit geschlachtet, weil im Sommer die Lebensmittel nicht lange haltbar waren. Die Menschen haben sich im Winter fettreicher ernährt, viel Eingemachtes und tierisches Eiweiss gegessen. Dies wiederum führt zu Ablagerungen im Körper, weil er nicht alles davon ausscheiden kann. Es belastet also die Leber, der Stoffwechsel wird träge. Die Folge: Wir fühlen uns müde. Industriell hergestellte Lebensmittel enthalten Stoffe, die wir nicht gut verwerten können: Konservierungsmittel beispielsweise. Oder Margarine zum Beispiel: Eigentlich wäre sie flüssig, wird aber mithilfe von Transfettsäuren streichfähig gemacht. Diese kommen in der Natur nur selten vor. In der Folge braucht unser Körper mehr Energie, um sie zu verdauen. Und die Energie fehlt dann woanders – wir fühlen uns vermehrt schlapp und müde.
Welche Rolle spielen dabei die Hormone?
Der Winter präsentiert sich oftmals trüb und finster. Wir können zu wenig Sonnenlicht tanken. Stark vereinfacht gesagt, sorgt das Schlafhormon Melatonin dafür, dass wir abends, wenn es dunkel wird, müde werden. Das Serotonin ist quasi der Gegenspieler, das «Belebungshormon». Es hängt stark mit dem Licht zusammen. Im Frühling wird es heller, die Sonne scheint vermehrt. Wir bilden also mehr davon.
Aber weshalb fühlen wir uns genau dann müde? Eigentlich sollten wir im Frühling ja vor Energie sprühen.
Der Körper braucht eine gewisse Zeit für die Umstellung. Meistens reden wir von drei, vier Wochen, die er quasi «nachhinkt». Unser Körper und die Natur laufen also nicht ganz parallel.
Das heisst, dass sich die Frühlingsmüdigkeit von selber wieder verabschiedet, wenn der Körper die Umstellung geschafft hat?
Ganz genau. Wir können dem Körper helfen, indem wir uns viel an der frischen Luft bewegen. Und uns gesund ernähren, damit der Körper eben nicht zusätzliche Energie für die Verdauung braucht. Viele saisonale Früchte- und Gemüsesorten sind hilfreich – alles möglichst naturbelassen. Als Grundsatz sollten wir fünfmal am Tag «farbig» essen. Während Tomaten und Gurken eine kühlende Wirkung im Sommer haben, sind Wurzelgemüse eher wärmend. Wenn wir genug trinken, helfen wir dem Körper, die vorhin angesprochenen Ablagerungen möglichst schnell auszuscheiden.
Gibt es weitere Tipps?
Die Psyche ist ebenfalls wichtig. So komisch es klingt: Geniessen Sie die Müdigkeit, machen Sie kein Problem daraus. Wir dürfen uns auch einmal belohnen, uns hinsetzen, ein gutes Buch lesen oder eine Theatervorstellung besuchen. Auch diese Zeit kann schön sein – es kommt in einigen Wochen wieder anders, sobald sich der Körper umgestellt hat. Nutzen wir die ruhige Zeit, und lesen den Kindern abends eine Geschichte vor.
Spezielle Präparate braucht es also nicht?
Für Kinder sicherlich nicht. Sie haben in der Regel genug Bewegung und springen viel umher. Unser «Bauplan» für den Körper ist eigentlich nicht gemacht, dass wir so alt werden. Früher ist man häufig mit 70 Jahren «relativ gesund» gestorben. Heute erhalten wir manchmal über die Nahrung zu wenig Vitalstoffe. Nahrungsergänzungsmittel auf pflanzlicher Basis können da hilfreich sein. Mit Löwenzahn, Artischocken oder Spargeltabletten können wir die Leber und die Nieren unterstützen und die Ausscheidung anregen.
Wann spricht man nicht mehr «nur» von der Frühjahrsmüdigkeit, sondern müsste eine Fachperson dazu gezogen werden?
Es kann diffus sein. Die Müdigkeit geht ja nicht von heute auf morgen weg, sondern es ist vielmehr ein schleichender Prozess. Wenn jemand gar nicht mehr belastbar ist, vergesslich wird und die Müdigkeit auch nach ein, zwei Monaten nicht weggeht, dann ist eine Abklärung sicher sinnvoll. ++
Weitere Infos unter kurtaltermatt.ch