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Duale Berufslehre mit vielen Perspektiven

Die Berufsbildung ist echte Alternative zum Gymnasium. Rund 240 Berufe stehen zur Auswahl. Dank der Berufsmatur steht zudem der Weg an die Fachhochschulen frei.

Bild: goodluz/shutterstock.com

Technik faszinierte Mario Heimgartner schon immer. Der heute 28-Jährige aus Burgdorf entschied sich am Ende der Oberstufe für eine Lehre als Konstrukteur im Maschinenbau. Eigentlich wollte Mario ans Gymnasium. Doch weil er die Eintrittsprüfung nicht bestand, wählte er den Weg in die Berufsbildung. Im Nachhinein bereut Mario seinen Entscheid nicht. «Die Berufslehre war für mich der richtige Weg. Ich habe ein gutes Vorstellungsvermögen und profitierte von der praxisnahen Ausbildung. Diese Basis kommt mir jetzt im Beruf zugute.» Mario holte nach der Konstrukteurlehre die Berufsmatur nach und studierte an der Berner Fachhochschule Maschinenbau. «Für mich war von Anfang an klar, dass ich mich in diese Richtung weiterentwickeln würde», erzählt Mario. Dank der guten fachlichen Basis, die er in der Berufslehre lernte, war er im Studium gegenüber seinen Mitstudierenden, die das Gymnasium gemacht hatten, im Vorteil. Derzeit steht der junge Berufsmann im Masterstudium zum Schiffsbauingenieur an der englischen Uni in Southampton. Daneben arbeitet er für ein kleines Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen als Schiffsbauingenieur. «Ich war schon immer von Schiffen fasziniert», erzählt Mario, der sich selber ein sechs Meter langes Boot aus Holz baute. «Ich wollte das Schiffsbauhandwerk von Grund auf in die Praxis umsetzen und die Hintergründe hautnah miterleben.» Als Schiffsbauingenieur ist Mario ein Exot in der Schweiz, wo es nur etwa 15 Betriebe gibt, die sich mit Schiffsbau beschäftigen.

Praxis und Theorie in einem

Die Berufsbildung ist bei den Schulabgängerinnen und Schulabgängern beliebt. Laut Bundesamt für Statistik entscheiden sich jährlich zwei von drei Jugendlichen in der Schweiz für eine berufliche Grundbildung. Diese ermöglicht ihnen auf Basis einer soliden beruflichen Grundlage den Einstieg in die Arbeitswelt. Doch was macht die Berufsbildung so attraktiv? «Die duale Berufsbildung bewährt sich, weil sie Praxis und Theorie verbindet», sagt Tiziana Fantini, Projektverantwortliche Kommunikation für das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Attraktiv sei insbesondere die hohe Durchlässigkeit des Systems. Das bedeutet: Nach Abschluss einer Lehre stehen den Jugendlichen vielfältige Karrieremöglichkeiten offen. «Diese Vorteile sind jedoch zu wenig bekannt», bedauert Tiziana Fantini, «viele Jugendliche und auch ihre Eltern meinen fälschlicherweise Weise noch immer, mit einem akademischen Abschluss hätte man bessere Karrierechancen.» Deshalb gelte es, gezielt Aufklärungsarbeit zu leisten – zum Beispiel mit der Kampagne www.berufsbildungplus.ch, die über die Perspektiven und Karrieremöglichkeiten der Schweizer Berufsbildung informiert.

Von Berufsmesse bis Schnupperlehre

Eine weitere Möglichkeit, einen Einblick in die Berufsbildung zu erhalten, ist der Besuch der Berufsmeisterschaften SwissSkills vom 7. bis 11. September in Bern. Sie geben den Besucherinnen und Besuchern einen hautnahen Einblick in den Alltag dieser Lehrberufe. Jeder Berufsverband präsentiert an einem eigenen Stand auf attraktive Weise, was seine Berufe alles zu bieten haben. Gleichzeitig kämpfen die jungen Berufsleute während zwei Tagen um den Schweizermeistertitel – sei es zum Beispiel als Schreiner, Strassenbauer, Detailhandelangestellte oder Gesundheitsfachfrau (mehr zu den SwissSkills in der Info-Box). Mario Heimgartner durfte als Konstrukteurlehrling an den Berufsmeisterschaften teilnehmen, die damals allerdings noch im kleineren Rahmen durch die einzelnen Berufsverbände durchgeführt wurden. Weiter lohnt es sich, sich frühzeitig bei der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung beraten zu lassen. «Das Gespräch mit einer Fachperson hilft zu klären, wo man steht und was man erreichen möchte», sagt Tiziana Fantini. Entscheidend dabei sei, dass Jugendliche eine Wahl treffen, die ihren Eignungen und Neigungen entspricht. Im Lehrstellennachweis LENA auf www.berufsberatung.ch werden offene Lehrstellen publiziert und können nach verschiedenen Kriterien gesucht werden. «Um spannende Einblicke in die Berufswelt zu erhalten, gibt es viele Möglichkeiten. Dazu gehören auch Informationsanlässe in Unternehmen, der Besuch von Berufsmessen sowie Schnupperlehren», betont Tiziana Fantini.

Rund 240 berufliche Grundbildungen

Wer sich mit der Berufsbildung beschäftigt, wird schnell feststellen: Die Berufsbildung deckt ein breites Spektrum an Bildungsmöglichkeiten ab. In der Schweiz stehen rund 240 berufliche Grundbildungen zur Auswahl. Zu den meistgewählten Lehrberufen zählen Kaufmann/-frau EFZ, Fachmann/-frau Gesundheit EFZ, Detailhandelsfach-mann/-frau EFZ oder Informatiker/-in EFZ. Die zweijährige Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) ermöglicht überwiegend praktisch begabten Jugendlichen einen anerkannten Abschluss mit einem eigenständigen Berufsprofil. Es öffnet den Zugang zu einer drei- oder vierjährigen beruflichen Grundbildung. Dort werden Qualifikationen zur selbstständigen Ausübung eines bestimmten Berufes erworben. Wie ist die Berufslehre strukturiert? Das Schweizer Berufsbildungssystem basiert auf der Dualität zwischen Theorie und Praxis. In der Regel arbeiten die Lernenden drei bis vier Tage in ihrem Ausbildungsbetrieb. An ein bis zwei Tagen vertiefen sie das praktisch Gelernte in der Berufsfachschule. Überbetriebliche Kurse runden das Angebot ab. Wer über eine abgeschlossene Lehre verfügt und danach an einer Fachhochschule studiert, kann seine praktischen Fähigkeiten während der Semesterferien in einem Praktikum anwenden.

Zugang zur Fachhochschule

Das eidgenössische Fähigkeitszeugnis (EFZ) öffnet den Zugang zur höheren Berufsbildung. Während oder nach dem Abschluss einer beruflichen Grundbildung mit EFZ kann zudem eine Berufsmaturität berufsbegleitend erworben werden und dauert zum Beispiel bei einer kaufmännischen Lehre gleich lang wie das Gymnasium. Sie ergänzt die berufliche Grundbildung mit einer erweiterten Allgemeinbildung und ermöglicht den prüfungsfreien Zugang zu einem Studium an einer Fachhochschule. Mit der Ergänzungsprüfung ist auch der Zugang an eine Universität oder an eine Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) möglich. Hinzu kommen die hervorragenden Berufsperspektiven, die die höhere Berufsbildung bietet: Rund 240 Berufsprüfungen, 170 höhere Fachprüfungen sowie weitere 400 Bildungsgänge der höheren Fachschulen bereiten auf anspruchsvolle Funktionen in der Wirtschaft vor.

www.berufsbildungplus.ch

www.berufsberatung.ch

Schule und Elternhaus Schweiz (S&E) – Eltern eine Stimme geben

Als Elternorganisation der deutschsprachigen Schweiz vertritt Schule und Elternhaus Schweiz (S&E) auf nationaler Ebene die Anliegen der Eltern zu Themen rund um die Schule – und dies seit über 60 Jahren. S&E Schweiz fördert zusammen mit den kantonalen, regionalen und lokalen Sektionen die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Schule, Behörden und Eltern. S&E ist Patronatgeber des Berufswahl-Portfolios.