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Das Familienleben in Zeiten der Krise

Es war ein Ausnahmezustand für Familien: Die Schulen zu, die Kinder zu Hause, die Eltern im Spagat zwischen eigenen Problemen und der Betreuung. Im Prinzip dasselbe wie immer, nur um einige Faktoren verschärft. Was bleibt an Gutem, was an Schlechtem nach der Zeit der Coronakrise?

Bild: © Voyagerix/Shutterstock.com

Es gab die Eltern, die nach Bekanntgabe des «Lockdowns», der auch die Schulen betraf, vollmundig erklärten: «Bei uns wird der Fernseher deshalb nicht öfter laufen als sonst, wir halten an unseren Regeln fest.» Ein bis zwei Wochen später waren auch die meisten von ihnen weich gekocht. Denn spätestens, wenn auch die Haupternährerin oder der Haupternährer ins Homeoffice wechseln musste, war jedes Mittel recht, um das eine oder andere Stündchen in Ruhe arbeiten zu können. Klare Strukturen und Abläufe in Ehren, aber wenn da draussen Notrecht gilt, ist es reichlich naiv zu glauben, in den eigenen vier Wänden könne alles weiterlaufen wie bisher. Netflix lief vielerorts heiss, das Tablet wurde nicht mehr 23 von 24 Stunden weggesperrt. Und warum auch nicht? Geräte sind nie des Teufels, höchstens das, was man damit macht. So mancher Vater, manche Mutter wird die Erfahrung gemacht haben: Wenn man die Leine mal länger lässt, suchen die Kinder plötzlich gar nicht mehr so viel Auslauf. Oder anders gesagt: Plötzlich ertönt es aus dem Wohnzimmer: «Wir haben keine Lust mehr auf TV.» – Echt jetzt?

Not schweisst zusammen

Aber natürlich ist es bei einer so langen Zeit keine Option, die Kinder permanent vor einem Streamingdienst zu parkieren. Es blieb auch mehr Zeit für Brettspiele, das gemeinsame Kochen, für den Kontakt zwischen Geschwistern, die sonst oft in ihrer jeweiligen «Blase» stecken und von ihrem Bruder oder ihrer Schwester gar nicht mehr so viel mitbekommen. Es gab Gelegenheit, Dinge anzugehen, die man schon immer mal machen wollte. Not macht kreativ, auf vielen Ebenen. Und die Not gemeinsam durchzustehen, schweisst zusammen.

In unserem Fall war es die Mission Möbelbau. Wenige Tage, bevor alles dichtmachte, hatten wir eine Ikea-Ladung bestellt, um der grösseren Tochter das eigene Zimmer einzurichten. Natürlich nicht nur Lieferung, sondern auch mit Montage, da ich nicht mal einen Nagel in der Wand einschlagen kann. Dann, in der Startphase der Krise, kam der ernüchternde Anruf: «Wir liefern, aber unsere Partnerfirma montiert nicht mehr.» Da sassen wir also am Freitagnachmittag auf haufenweise Paketen mit Einzelteilen: Ein Bett, eine Kommode, ein Pult, ein Drehstuhl. Dank Teamarbeit stand all das tatsächlich bis am Sonntagabend und hinterliess das gute Gefühl, zu mehr imstande zu sein als gedacht. Die Kinder wiederum fanden die Montagearbeit sogar unterhaltsam. Immerhin etwas zu tun!

So vieles ging nicht mehr

Denn, und das war wohl die beste Erfahrung dieser Zeit: Kinder vermissen die Schule nach einiger Zeit. Sie sind des Nichtstuns (oder Fastnichtstuns) schnell mal überdrüssig. Alles verliert seinen Reiz, wenn man es einfach immer tun kann. Die erste Ladung Wochenhausaufgaben wurde noch an einem Tag erledigt, um danach für einige Tage Ruhe zu haben. Die nächste Ration wurde schön auf mehrere Tage verteilt. Mehr noch: Es hätte gern mehr davon sein können. Denn nicht nur die Schule fiel flach, auch die vielen Alternativen. Ein bisschen Kindershopping im Dorf: Fehlanzeige. Mit dem Gschpänli in einem anderen Quartier abmachen: Geht nicht. Da sind Hausaufgaben ein regelrechtes Geschenk.
So gesehen war die Zeit eine ziemlich steile Lernkurve. Diese sollte man aber nicht romantisieren. Denn nur privilegierte Familien in stabilen Verhältnissen haben die Krise so empfunden. Dort, wo der Haussegen sowieso schon schief hängt und die Nervenkostüme zum Zerreissen gespannt sind, war dieser Ausnahmezustand wohl alles andere als einfach. Der Vater ist mehrere Wochen ohne Arbeit und bangt nun generell um seinen Job, die Mutter erträgt es schlecht, dass ihr Mann nun dauernd zu Hause ist, die Kinder können die neue Situation nicht einordnen. Ein Pulverfass. Kein Wunder, warnten Beratungsstellen schon früh vor einer möglichen Zunahme an häuslicher Gewalt. Und dann sind da natürlich auch die Kinder, denen das Selbststudium schwerfällt und deren Eltern beispielsweise aus sprachlichen Gründen nur wenig helfen können. Die Gefahr eines Rückstands bei der Rückkehr in die Schule ist in solchen Fällen gross.

Krise als Chance?

Es gibt Leute, die grundsätzlich in jeder Krise eine Chance sehen wollen. So sinnvoll es ist, sich auf das Gute zu konzentrieren: Manche Dinge sind nun einmal einfach nicht toll, egal, wie man sie sich zurechtredet. Es gibt sicher Familien, die in dieser Zeit näher zueinandergefunden haben, Väter, die sonst immer unterwegs sind und nun endlich ihre Kinder wirklich kennengelernt haben und so weiter. Aber es gibt auch die Leidensgeschichten.

Deshalb gibt es nicht die eine Lektion, die eine Bilanz aus dieser Zeit. Was der eine als bereichernde Phase erlebt hat, war für den anderen mehrere Wochen und Monate nahe am Durchdrehen. In beiden Fällen ist die Rückkehr zur Normalität eine Wohltat. Kreativität hat ihre Grenzen, gerade Kinder wünschen sich Strukturen. Und dort, wo es schlecht lief während der Coronakrise, wird nun vieles, das früher als Problem wahrgenommen wurde, seinen Schrecken verloren haben. Vielleicht freute sich das eine oder andere Kind sogar auf das erste Diktat nach der Rückkehr, auf den Mathetest.

Sicher ist nur eines: Die Achtung der meisten vor der Leistung der Lehrkräfte dürfte in dieser Zeit gewachsen sein. Denn vieles von dem, was wir für einige Zeit an zusätzlichen Aufgaben übernommen haben, liegt sonst bei diesen.