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Die Bedürfnisse der Kinder müssen im Mittelpunkt stehen

Der Mensch ist ein «Nesthocker», und deshalb auf seine Eltern angewiesen. Damit sich das Kind harmonisch entwickeln kann, braucht es Nestwärme. Diese wichtige Zuwendung kann nicht an Krippen oder Tagesschulen delegiert werden.

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Mit der engen Begleitung der Kinder durch die Eltern oder andere Bezugspersonen lernen diese, sich eigenständig fortzubewegen, den aufrechten Gang, die Verständigung mittels Sprache, vernunftgeprägtes Denken und Handeln. Diese Entwicklungsprozesse benötigen Bezugspersonen, die für diese wichtigste Lebensaufgabe Zeit investieren. Eine Kinderbetreuungsphase von ca. 1/7 der heutigen Lebenserwartung ist für diese wichtige Aufgabe gut investierte Zeit.

Die Zuwendung und Nestwärme schaffen beim Kind und Jugendlichen das nötige Vertrauen, um bei den Eltern Probleme anzusprechen, und mit ihnen zusammen Lösungen zu suchen. Eine Fremdbetreuung von Kindern kann in Einzelfällen der richtige Weg sein. Eine flächendeckende Fremdbetreuung muss aber als bedauernswertester Rückschritt in der Entwicklung unserer modernen Gesellschaft bezeichnet werden.

Die Entwicklung der Kleinkinder geschieht in Stufen

Die Kinder entwickeln sich im Vorschulalter in Stufen und sind im emotionalen, kognitiven, motorischen und sozialen Bereich sehr unterschiedlich weit. Deshalb wäre eine 1:1-Betreuung in diesem frühen Kindesalter zu bevorzugen. Damit könnten die Bedürfnisse der einzelnen Kinder am besten berücksichtigt werden. Die wichtige Sprachförderung geschieht bei gemeinsamen Bilderbuchbetrachtungen. Auf die vielen auftauchenden Fragen kann sofort eingegangen werden. Das Kind kann bei der 1:1-Betreuung auf Mauern klettern, balancieren oder ins Wasser springen und damit wichtige motorische Erfahrungen sammeln. Auch die Bindung zur Bezugsperson ist naturgemäss im Vorschulalter noch sehr eng. Deshalb zeigen Studien bei Kleinkindern, dass es bei der Trennung zur Ausschüttung des Stresshormons Cortisol kommt, was zu einer Blockade der Lernbereitschaft und der Emotionen führen kann.

Obligatorische Einschulung von vierjährigen Kindern

Mit der obligatorischen Einschulung von Vierjährigen wurde die in diesem Alter eminent wichtige Aufgabe einer individuellen motorischen und sprachlichen Förderung den Familien weggenommen. Auch die beste Kindergärtnerin kann nicht auf die vielen Fragen, die jedes einzelne Kind in diesem Alter stellen möchte, eingehen. Sie wird zudem kaum den Bewegungsdrang der Kinder stillen können. Dies bedeutet, dass die kleinen Kinder in einer Gruppe in ihrer persönlichen Entwicklung behindert werden, was Defizite in Sprache und Motorik und vermehrt Förderunterricht nach sich zieht.

Eltern beklagen, dass ihre Vierjährigen unter Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Aggressionen leiden, ein Zeichen ihrer psychischen Überforderung. Aus meiner langjährigen Erfahrung kann ich feststellen, dass der vorverlegte Schulbeginn entwicklungspsychologisch nur Nachteile hat, die wenigstens mit einem besseren Betreuungsverhältnis entschärft werden müssten. Es ist erwiesen, dass Vorschulkinder in den Bereichen motorische, kognitive, emotionale und soziale Kompetenz noch grosse Unterschiede aufweisen, die sich bis zum 6./7. Lebensjahr – dem aus diesem Grund bis vor einigen Jahren gewählten Einschulungstermin – immer mehr angleichen. Meist sind erst ca. sechsjährige Kinder fähig, während längerer Zeit zuzuhören oder selbstständig für sich zu spielen oder zu arbeiten.

Zwei Kantone, nämlich Schwyz und Nidwalden, haben bereits auf die Klagen von Eltern und Lehrpersonen reagiert, und in den Kantonen Graubünden, den beiden Appenzell und Zug gibt es keinen obligatorischen zweijährigen Kindergarten. Diese Eltern und Bildungsverantwortlichen haben erkannt:

Die Schule darf nicht länger ein Experimentierfeld sein

Um die Ideologie der Chancengleichheit für jedes Kind umsetzen zu können, wurden Schritt für Schritt sogenannte Bildungsreformen eingeführt, deren negative Auswirkungen – sowohl für die Schulkinder als auch für die Lehrpersonen – nun offensichtlich sind.

Die Integration von Kindern mit Defiziten in Regelklassen hat zu einem Ausbau des Spezialunterrichts wie Integrative Förderung, Logopädie, Legasthenie, Dyskalkulie, Deutsch für Fremdsprachige und Psychomotorik geführt. Dieser Spezialunterricht findet oft innerhalb der Klasse statt. Heilpädagoginnen, Klassenhilfen usw. betreuen während des Regelklassenunterrichts Kinder mit Defiziten, indem sie Erklärungen und Anweisungen geben, was sehr störend sein kann.

Das Frühsprachenlernen wurde trotz Studienergebnissen und Bedenken von Sprachforschern und Lehrpersonen ohne Versuchsphase eingeführt. Die Sprachforscherin Simone Pfenninger, welche die Sprachkompe-tenzen der Frühenglisch- mit Spätenglischlernenden verglichen hat, kam zu folgendem Fazit: Spätlernende sind motivierter und holen den Vorsprung der Frühlernenden in kurzer Zeit auf. Wegen der Defizite der Frühlernenden in der deutschen Sprache fällt den Kindern das Fremdsprachenlernen schwerer, und eine gefestigte Sprachbasis ist positiv für den Fremdsprachenerwerb. Bei drei Lektionen pro Woche von einem «Sprachbad» zu reden, ist absurd, muss doch ein Kind ungefähr 40 % seiner Wachzeit mit einer Fremdsprache konfrontiert sein, damit sein Gehirn diese speichern kann.

Der Lehrplan 21 wurde auf undemokratischem Weg und mit fehlenden Jahreszielen in jedem Fach eingeführt. Dies hat die versprochene Harmonisierung unter den Schulen verunmöglicht. Das im Lehrplan propagierte selbstgesteuerte, oft digitale Lernen überfordert viele Kinder. Sind Kinder häufig und lange digital unterwegs, geraten viele wegen der Reizüberflutung in eine Lust- und Interessenlosigkeit. Auch führt diese einschneidende Reform zu Unruhe, was die Konzentrationsfähigkeit der Kinder überstrapazieren kann. Gute Schulleistungen sind in einem solchen Umfeld schwierig zu erbringen. Mit der Einführung des Lehrplanes 21 wurden die Stundenpläne jeder Klasse mit bis zu vier zusätzlichen Lektionen aufgestockt. Die Auswirkungen waren bekannt: Es brauchte im Kanton Bern ungefähr 300 zusätzliche Lehrpersonen. Durch die hohe Präsenzzeit der Kinder in der Schule wurde ihnen die Freizeit gestohlen. Dieser unhaltbare Zustand dauert nun schon sechs Jahre an. Damit die musische und auch sportliche Förderung der Kinder nicht weiter auf der Strecke bleibt, muss den Kindern die gestohlene Freizeit mit einer Reduktion der Lektionen zurückgegeben werden!

Wirtschaftliche Interessen dürfen nicht im Mittelpunkt stehen

Dass Eltern, welche eine Erziehungsphase einlegen, den Anschluss ans Berufsleben verpassen würden, ist in der heutigen Zeit nicht mehr zutreffend. Denn nirgends lernt man die im Berufsleben sehr gefragten Kompetenzen wie Zuhören, Argumentieren, Entscheiden, Organisieren, Flexibel-Handeln besser als in der Funktion als erziehende Person. Die Arbeitgeber müssten vermehrt Teilzeitstellen auch für Männer schaffen, was sich nachhaltig auf die positive Entwicklung unserer kleinsten Zelle «Familie» und damit auf unser gesamtes Staatswesen auswirken würde.

Zur Person:

Sabina Geissbühler-Strupler, Primar- und eidg. dipl. Turn-/Sportlehrerin, Didaktikdozentin, Erwachsenenbildnerin, Mutter von einer Tochter und drei Söhnen und Grossmutter von sieben Enkelkindern, Autorin der Bücher mit Anregungen zum Gestalten des Alltags mit Kindern: «Bewegung im Mittelpunkt» (Band 1 und 2, Ernst Ingold & Co., Herzogenbuchsee), «Bewegung und Spiel» (Paul Haupt, Bern-Stuttgart, ISBN 3-258-03818-X), «Bilderbücher werden lebendig» (Paul Haupt, Bern-Stuttgart, ISBN 3-258-03387-0), des geschichtlichen Romans «Der rastlose Erdgeist» (Birkenhalde Verlag) und der Biografie «Kein Weg ist zu weit», die die bewegte Vergangenheit sowie das Engagement im sozialen und politischen Leben der Autorin aufzeigt. Mit ihrem Buch möchte sie u.a. leidgeprüften Menschen Mut machen, mit Zuversicht Probleme anzupacken. Es ist in jeder Buchhandlung erhältlich oder kann telefonisch, 079 581 03 21, oder per E-Mail über mbg1948@bluewin.ch bestellt werden. Kosten: CHF 40.— inkl. Porto und Verpackung oder CHF 33.—bei Abholung.