«Und schon wieder ist es zwei Uhr morgens und ich schlafe noch immer nicht.» Natürlich schlafen wir alle einmal schlecht. Wer aber dauernd unter Schlafstörungen leidet, hat ein grosses Problem und kann dadurch auch krank werden. Mit gesundem Schlaf und chronischen Schlafstörungen befasst sich das Netzwerk prodormo.ch. Der Psychologe Prof. Dr. Björn Rasch erzählt im Interview über eine oft unterschätzte Volkskrankheit.
«Die Gründe für Schlafstörungen sind vielfältg»
Wann spricht man von einer Schlafstörung und wie äussert sich diese?
Die häufigste Schlafstörung ist die Insomnie. Man spricht von einer Insomnie, wenn mindestens dreimal pro Woche über mehr als drei Monate Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten oder frühmorgendliches Erwachen auftreten, und wenn diese Schlafstörungen die Befindlichkeit (zum Beispiel Müdigkeit, Stimmungsschwankungen) und Leistungsfähigkeit (z. B. Konzentration, Gedächtnisprobleme, Stimmungsschwankungen) am Tag stark beeinträchtigen. Wichtig ist, dass eine Insomnie rein auf Basis der Berichten der Betroffenen diagnostiziert wird. Eine Messung des Schlafs im Schlaflabor ist dafür nicht notwendig. Es wird aber manchmal trotzdem empfohlen, um die Insomnie von anderen Schlafstörungen (z. B. Atemaussetzer im Schlaf: Schlafapnoe) abzugrenzen.
Wie viele Menschen in der Schweiz sind davon betroffen?
In der Schweiz sind ungefähr 6 % der Menschen von einer Insomnie betroffen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die Häufigkeit der Insomnie nimmt mit hohem Lebensalter stark zu.
Leiden Menschen mit Schlafstörungen hauptsächlich am Einschlafen oder eher am Durchschlafen?
Es kommt beides vor. Weitere Menschen schlafen eigentlich schnell ein, wachen dann aber bereits nach 3 bis 4 Stunden Schlaf auf und können dann nicht mehr einschlafen.
Was sind oft Gründe für Schlafstörungen?
Die Gründe für eine Insomnie können vielfältig sein. Einige Personen haben sicherlich eine Veranlagung für einen leichteren beziehungsweise leichter gestörten Schlaf. Mit dem Alter wird der Schlaf bei der Mehrheit der Menschen schlechter, ohne dass eine klare andere Ursache als einfach das Älterwerden an sich vorliegt. Oft hängen Schlafstörungen aber auch mit schwierigen Lebensphasen zusammen (Stress im Beruf oder in der Partnerschaft, Erschöpfung, Trauer, traumatische Ereignisse). Auch bei psychischen Störungen wie zum Beispiel Depressionen, Angst- und Panikstörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen treten eigentlich immer auch Schlafstörungen auf.
Was sind die Folgen von Schlafstörungen?
Akute Folgen der Insomnie sind eine starke Beeinträchtigung des allgemeinen Wohlbefindens, Müdigkeit und Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. Weiterhin kommt oft eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionserkrankungen hinzu. Die Personen machen sich oft sehr viel Sorgen um ihren Schlaf, versuchen früher ins Bett zu gehen, um überhaupt noch zu schlafen, und verbringen viel Zeit im Bett. Am Tag sind sie müde und schlafen vielleicht mittags noch einmal. Gleichzeitig wollen Sie abends unbedingt wieder schlafen, machen sich Sorgen, dass sie am nächsten Morgen nicht schlafen können und die Aufgaben am nächsten Tag nicht bewältigen. Ein Teufelskreis, den all dies verschlimmert die Schlafstörung noch.
Können Schlafstörungen auch Folgekrankheiten mit sich bringen?
Ja. Folgeerkrankungen einer Insomnie können zum Beispiel Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sein, aber auch Adipositas, Diabetes und möglicherweise auch Demenz.
Wo kriegt ein Mensch Hilfe bei Schlafstörungen?
Es gibt eine Reihe von Schlafkliniken in der Schweiz, in denen Patienten kompetente Hilfe bei Schlafstörungen bekommen. Eine Liste finden sich bei der Schweizer Schlafgesellschaft SGSSC oder unserem Verein ProDormo. Es gibt mittlerweile auch gute Programme für das Handy, die eine erste Unterstützung bei Schlafproblemen bieten können (zum Beispiel die 7Schläfer-App oder KSM SOMNET).
Brauchst es Medikamente oder hilft eher eine Umstellung von anderen Dingen im Leben?
Die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie ist die Methode der Wahl für die Behandlung einer Insomnie. Sie ist erwiesenermassen sehr wirksam und die Wirkung hält auch langfristig an. Medikamente werden bei einer Insomnie nur für eine kurzfristige Behandlung (maximal zwei bis drei Wochen) oder zur Begleitung eine Psychotherapie empfohlen.
Wie sieht ein gesunder Schlaf aus?
Das ist eine schwierige Frage. Ein gesunder Schlaf ist wahrscheinlich ein solcher Schlaf, der einen am Tag wach, gesund und leistungsfähig macht. Da Menschen einen sehr unterschiedlichen Schlaf haben, lässt es sich nicht pauschal sagen, was ein gesunder Schlaf genau ist. Sicherlich ist es nicht für alle Menschen ein Schlaf von acht Stunden: Einigen Menschen reichen fünf bis sechs Stunden täglich, während andere mehr als achten Stunden brauchen. Zusätzlich hängt die empfohlene Schlafdauer vom Alter ab. Kinder und Jugendlichen brauchen mehr Schlaf als Erwachsene. Insgesamt würden wir wohl aus Sicht der Schlafforschung sagen, dass ein gesunder Schlaf eine Einschlafzeit von weniger als 30 Minuten hat, einen altersgerechten Tiefschlafanteil aufweist und sich die Schlafstadien in regelmässigen Zyklen abwechseln.