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Die Rechte Hand für eine individuelle Betreuung

An Schweizer Schulen sind sie seit etwas mehr als zehn Jahren immer häufiger ein gewohntes Bild: Schulassistenzen. Sie unterstützen die Lehr­personen und betreuen gewisse Kinder individuell.

Bild: © stockfour/shutterstock.com

Alina hat regelmässige epileptische Anfälle. Monika Keller (Namen geändert) betreut die Zweitklässlerin im wöchentlichen Schwimmunterricht und entlastet dadurch die Lehrkraft. Ein anderes Kind, das von der Klein- in die Regelklasse gewechselt hat, benötigt ebenfalls eine besondere Betreuung. Monika Keller, Mutter von zwei Kindern im Alter von acht und zwölf Jahren, hilft dem Jungen im Schulunterricht, unterstützt ihn bei organisatorischen Themen und bei den Schulaufgaben. «Bei Gruppenarbeiten etwa kommt es zudem vor, dass ich auch anderen Kindern helfe und mit ihnen die Aufgaben anschaue», erzählt sie.

Eingespieltes Team

Monika Keller wurde offiziell von der Schule angestellt, nachdem sie sich vor vier Jahren um diese Stelle bewarb. «Ich suchte eine Stelle mit einem kleinen, flexiblen Pensum», erzählt die Schulassistentin. Mittlerweile sind sie und die Klassenlehrerin ein eingespieltes Team mit klar definierten Aufgaben und Zuständigkeiten. «Ich helfe zum Teil bei der Einführung neuer Themen mit, damit ich die Kinder bei Fragen unterstützen kann.» Monika Keller ist überzeugt, dass die Schulassistenz für die Lehrpersonen eine grosse Entlastung bedeutet. Zudem sei es eine gute Möglichkeit, sich als Eltern in den Schulbetrieb einzubringen.

Wertvolle Unterstützung im Schulalltag

Seit mehr als zehn Jahren bereits stehen an manchen Schweizer Schulen Frauen und Männer als Schulassistenz im Einsatz. Sie entlasten die Lehrpersonen im Unterricht wie auch bei organisatorischen Arbeiten und Betreuungsaufgaben. Die Schulassistenz ist eine Folge der schulischen und gesellschaftlichen Veränderungen in der Schweizer Bildungslandschaft. Besonders die im Schulgesetz vorgeschriebene Integration beispielsweise von Kindern mit besonderen Bedürfnissen oder einem Migrationshintergrund in den Regelunterricht verlangte nach zusätzlichen personellen Ressourcen. Im Kindergartenunterricht sorgt zudem der vorverschobene Stichtag dafür, dass die Kinder teilweise bereits mit vier Jahren den Kindergarten besuchen, wie Judith Scheidegger, Vorstandsmitglied des SchulAssistenzVerbandes (SAV), informiert. «Für die zum Teil individuelle Betreuung dieser Kinder ist die Schulassistenz eine wertvolle Unterstützung im Schulalltag.» Judith Scheidegger, die selber auch als Schulassistentin tätig ist, sieht sich dabei als Tandem zusammen mit der Lehrperson und der Heilpädagogin.

Immer mehr eine Selbstverständlichkeit

Als Schulleiterin mit achtjähriger Erfahrung hat Patricia Wegmüller bereits an mehreren Schulen Erfahrungen mit Schulassistenzen gesammelt. «Zu Beginn waren Schulassistenzen noch kaum ein Thema, und wenn, dann eher für niederschwellige Aufgaben.» Mit der Zeit habe die Bedeutung von Schulassistentinnen und -assistenten im Unterricht jedoch immer mehr zugenommen. «Die Schule erhielt ein gewisses Kontingent an Stunden, die sie für die Schulassistenz je nach Bedarf einsetzen konnte», berichtet Patricia Wegmüller. Die Erfahrungen, die die Schulleiterin mit dem Modell der Schulassistenz gemacht hat, sind durchwegs positiv: «Sie sorgen für eine gute Klassenatmosphäre, übernehmen für die Lehrperson gewisse Spezialaufgaben und sorgen somit für einen vielseitigeren Unterricht.» Eine wertvolle Bereicherung seien die Schulassistentinnen und -assistenten auch, weil sie einen anderen Erfahrungsschatz in den Unterricht einbringen. Sie zeigten grossen Einsatz und würden auch von den Schülerinnen und Schülern sehr geschätzt. «Diese Art von kollaborativer Zusammenarbeit im Schulzimmer wird immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit», beobachtet Patricia Wegmüller.

Unterschiedliche berufliche Hintergründe

Wer als Schulassistentin oder Schulassistent arbeiten möchte, muss – so Claudia Schranz, Vorstandsmitglied im SchulAssistenzVerband (SAV) sowie Schulassistentin für ein Kind mit Autismus und Downsyndrom – in der Regel über einen Berufsabschluss, gute Deutschkenntnisse und einen einwandfreien Leumund verfügen. Dem pflichtet ihre Vorstandskollegin Nadja Mayer bei: «Zudem sollte man als Schulassistenz natürlich gut auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingehen können.» Patricia Wegmüller erlebte als Schulleiterin Schulassistenzen mit unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen – von der Karriere im Verkauf bis zum Hochschulabschluss. Wichtig sei, eine hohe Motivation für die Arbeit mit Kindern mitzubringen, teamfähig sowie zeitlich flexibel zu sein. Denn: «Das Pensum der Schulassistenzen kann von Semester zu Semester je nach Bedarf variieren. Dies ist vor allem für jene, die auf das Einkommen angewiesen sind, nicht immer einfach», gibt Patricia Wegmüller zu bedenken und fordert fairere Arbeitsbedingungen in den Gemeinden.

Von Kanton zu Kanton unterschiedlich

Mit dieser Forderung rennt Patricia Wegmüller beim SchulAssistenzVerband offene Türen ein. Der 2019 gegründete Verband hat es sich laut der Präsidentin Heidi Heiz zur Aufgabe gemacht, Aufklärungsarbeit rund um die Schulassistenz zu leisten, den Austausch untereinander zu fördern und die Arbeitsbedingungen schweizweit zu vereinheitlichen; dazu gehöre zum Beispiel auch das Recht auf bezahlte Weiterbildungen. Grosses Verbesserungspotenzial besteht gemäss Heidi Heiz derzeit bei den Anstellungsbedingungen für die Schulassistenz, weil die Zusammenarbeits- und Lohnmodelle von Gemeinde zu Gemeinde und von Kanton zu Kanton offenbar unterschiedlich sind. «Während die Schulassistenz in gewissen Kantonen noch in den Kinderschuhen steckt, verfügt der Kanton Zürich etwa bereits über weitreichende Strukturen», schildert Heidi Heiz. Neben dem Modell der fest angestellten Schulassistenz engagieren sich im Unterricht zum Teil auch Zivildienstleistende, Senioren im Rahmen des Pro-Senectute-Projekts «Generationen im Klassenzimmer», Praktikantinnen und Praktikanten vor einer Ausbildung an einer pädagogischen Hochschule für einjährige Praxiseinsätze oder Eltern als freiwillige Begleiter beispielsweise im Schwimmunterricht oder für einen Ausflug in den Wald.

Einheitliche Arbeitsbedingungen

Auf dem Weg zu einer Vereinheitlichung der Arbeits- und Anstellungsbedingungen von Schulassistenzen bietet sich der SAV als Vernetzung für Kantone und Schulen an», betont Heidi Heiz. Dazu ist unser Verband eine Anlaufstelle für Schulassistenzen und ermöglicht deren Austausch untereinander. Im Weiteren strebt der Berufsverband eine eidgenössische Anerkennung des Berufsbildes mit entsprechenden Aus- und Weiterbildungsangeboten an. Heidi Heiz zeigt sich überzeugt, dass das Potenzial der Schulassistenz in der Schweiz noch längst nicht ausgeschöpft ist.

www.schulassistenz.ch

Schule und Elternhaus Schweiz (S&E)
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Als Elternorganisation der deutschsprachigen Schweiz vertritt Schule und Elternhaus Schweiz (S&E) auf nationaler Ebene die Anliegen der Eltern zu Themen rund um die Schule – und dies seit über 60 Jahren. S&E Schweiz fördert zusammen mit den kantonalen, regionalen und lokalen Sektionen die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Schule, Behörden und Eltern. S&E ist Patronatsgeber des Berufswahl-Portfolios.

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