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Ist das Kind nur verschnupft – oder steckt mehr dahinter?

Atemwegserkrankungen sind bei Kleinkindern häufig verbreitet. Was aber, wenn sich die Infekte häufen und immer mehr werden? Zu welchem Zeitpunkt eine genauere ärztliche Abklärung Sinn macht, verrät Noemi Beuret, Expertin bei aha! Allergiezentrum Schweiz, im Interview.

Bild: © Robert Kneschke/Shutterstock.com

Viele Eltern kennen es: Gerade Kleinkinder sind häufig verschnupft und husten. An sich ist das ja nichts Aussergewöhnliches. Wann sollte dennoch genauer hingeschaut werden?

Wenn die Symptome wieder verschwinden, handelt es sich eher um eine Erkältung als um Asthma oder eine Allergie. Bei gehäuftem Auftreten von Schnupfen und Husten oder wenn die beschwerdefreien Phasen nur sehr kurz sind, kann auch eine asthmatische Erkrankung oder eine Atemwegsallergie vorliegen. Besteht ein Verdacht, muss dieser unbedingt ärztlich abgeklärt werden. Gut zu wissen: Sind Kinder von Allergien oder Asthma betroffen, beginnt dies oft typischerweise mit einem atopischen Ekzem oder einer Nahrungsmittelallergie.

Die Diagnose Asthma steht häufig nicht gleich zu Beginn im Raum. Wann spricht man überhaupt von Asthma?

Typisch für Asthma sind Symptome wie Atemnot, die häufig anfallsartig auftritt, Giemen, Enge in der Brust und Husten. Der Grund dafür: Bei Asthma sind die Atemwege chronisch entzündet. Dabei verkrampfen sich die Muskeln um die Bronchien, die Schleimhaut der Bronchien schwillt an und bildet Schleim. Die Atemwege verengen sich; das Atmen fällt schwer. Hinsichtlich Auslöser lassen sich grob zwei Formen von Asthma unterscheiden: allergisch und nicht-allergisch. Beim allergischen Asthma – das oft im Kindes- oder Jugendalter beginnt – reagiert der Körper empfindlich auf Allergene wie etwa Pollen, Hausstaubmilben oder Pilzsporen. Beim nicht-allergischen Asthma lässt sich keine Allergie auf einen bestimmten Stoff nachweisen. Meistens sind Erwachsene davon betroffen.

Und wie wird Asthma diagnostiziert?

Die Symptome werden anhand einer Befragung erfasst. In einem weiteren Schritt wird der Lungenfunktionstest durchgeführt. Dieser ist für Kinder nicht ganz einfach, darum muss die Befragung möglichst genau sein. Dem Asthma kann eine Atemwegsallergie zu Grunde liegen. Deren Auslöser ermittelt man mittels Haut- und Bluttests.

Wie äussert sich eine Atemwegsallergie?

Typisch für eine Atemwegsallergie – also eine Allergie auf Pollen, Hausstaubmilben oder Tiere – sind eine verstopfte oder laufende Nase, Niesen, gerötete und juckende Augen; und es kann eben auch Asthma auftreten. Bei einer Pollenallergie tauchen die Beschwerden von Frühling bis Sommer auf, bei einer Hausstaubmilben- oder Tierallergie das ganze Jahr. Die Diagnose wird anhand der typischen Beschwerden gestellt. Blut- und Hauttests können den Verdacht auf eine Allergie bestätigen. 

Wie wird eine Atemwegsallergien behandelt?

Eine Atemwegsallergie muss unbedingt gemäss ärztlicher Absprache behandelt werden. Ansonsten kann sich ein allergisches Asthma entwickeln oder sich ein bereits bestehendes allergisches Asthma verschlechtern. Meistens reichen Antihistaminika in Form von Tabletten, Nasensprays und Augentropfen allenfalls in Kombination mit Kortisonpräparaten für die Behandlung aus. Zudem ist der Kontakt zum Allergieauslöser so tief wie möglich zu halten – etwa durch das Tragen einer Sonnenbrille im Freien bei einer Pollenallergie oder durch regelmässiges Abstauben und feucht Aufnehmen bei einer Hausstaubmilbenallergie.

In der Schweiz sind 12 Prozent aller Kinder von Asthma betroffen und sechs Prozent der Erwachsenen. Stagnieren diese Zahlen oder sind sie steigend?

Rückblickend auf die letzten fünfzig Jahre lässt sich feststellen: Die Anzahl Asthmabetroffener weltweit ist von sechs Prozent auf 19 Prozent gestiegen. Auch die Häufigkeit der Atemwegsallergien hat zugenommen. Waren beispielsweise anfangs des 20. Jahrhunderts zirka ein Prozent der Bevölkerung von einer Pollenallergie betroffen, sind es heute 20 Prozent.

Weshalb sind Kinder eigentlich häufiger von Asthma betroffen als die Erwachsenen?

Asthma ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter. Warum das so ist, ist bis heute noch nicht geklärt. Bei ungefähr 70 Prozent der erkrankten Kinder wird das Asthma vor dem fünften Lebensjahr diagnostiziert.

Asthma ist nicht heilbar, aber gut behandelbar. Wie «gut» kann ein Kind damit leben?
Man kann gut mit Asthma leben, wenn man die Erkrankung konsequent behandelt und das Asthma kontrolliert ist. Die richtigen Massnahmen ermöglichen den Kindern, ein weitgehend normales Leben zu führen. Dabei gilt: Je früher sich ein Kind an die Behandlung gewöhnt, desto besser kommt es im Alltag mit seiner Krankheit zurecht.

Welche Massnahmen sind wichtig?

Die Asthma-Auslöser erkennen und vermeiden. Medikamente, meist ein Asthma-Spray mit Vorschaltkammer, müssen korrekt angewendet werden, um die Entzündung der Atemwege zu bekämpfen. Die Lungenfunktion wird regelmässig bei der Kinderärztin oder dem Kinderarzt überwacht und die körperliche Bewegung gefördert. Kommt ein Kind mit Asthma in die Schule, sollte das Umfeld geschult werden, wie bei einem Asthmaanfall vorzugehen ist. Wie gut ihr Asthma kontrolliert ist, können Asthmatikerinnen und Asthmatiker ab zwölf Jahren mit unserem Asthmakontroll-Fragebogen online herausfinden.

Und wie gross ist die Chance, dass es sich «herauswächst»?

Mit der richtigen Behandlung kann sich die Lunge der Kinder gut entwickeln. Dabei besteht die Chance, dass sich die Krankheit spontan oder phasenweise zurückbildet. Bei zirka einem Drittel der betroffenen Kinder ist dies der Fall. Im Jugendalter ist es auch möglich, dass es zu längeren beschwerdefreien Phasen kommt.

Kinder, die an Asthma leiden, sind häufig auch von Heuschnupfen geplagt. Da kann beispielsweise eine Desensibilisierung helfen. Was ist damit gemeint?

Bei einer Desensibilisierung – einer allergenspezifische Immuntherapie – wird der Körper langsam an den Allergieauslöser gewöhnt: Mittels Haut- und Bluttests prüft der Allergologe oder die Allergologin, welche Stoffe die allergische Reaktion auslösen. Diesem individuellen Profil entsprechend wird die Therapielösung mit Allergenen zusammengestellt, die regelmässig unter ärztlicher Aufsicht in den Oberarm injiziert wird. Die Dosis wird langsam gesteigert und der Körper lernt, den Allergieauslöser zu tolerieren. Die ganze Therapie dauert drei bis fünf Jahre. Die Desensibilisierung kann für einige Pollenallergien auch in Form von Tabletten oder Tropfen unter die Zunge erfolgen. Eine Desensibilisierungstherapie ist für Kinder ab dem fünften Lebensjahr möglich.

Haben Sie vielleicht noch einige Tipps und Ratschläge, welche Sie Eltern von betroffenen Kindern mit auf den Weg geben können?

Individuelle Beratungen für betroffene Kinder und Eltern bieten die Lungenligen oder die aha! Asthma-Beratungsstelle online oder vor Ort auf Deutsch und Italienisch an. Weiter finden Betroffene umfassende Informationen auf der Website unserer Stiftung aha.ch und in unseren kostenlosen Broschüren. Bei Fragen können unsere Expertinnen an der kostenlosen aha!infoline unter der Nummer 031 359 90 50 von Montag bis Freitag, 8.30 bis 12.00 Uhr, weiterhelfen.

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