Aufgeräumte Gärten oder Steingärten sind zwar schön anzusehen, haben jedoch für Bienen grosse Nachteile: Die Nahrungsvielfalt nimmt ab. Doch wer sagt denn, dass Bienen nur auf dem Land vertreten sind? Anna Hochreutener und ihr Partner Tom Scheuer haben den Spiess umgedreht und imkern mitten in der Stadt Zürich mit ihrer Firma Wabe3.
Städtische Bienen auf dem Vormarsch
Immer weniger Leute haben heutzutage Interesse daran, Imker zu werden. Sie beide haben den Schritt dennoch gewagt. Was fasziniert Sie so daran?
Die Biene ist ein unglaublich spannendes Tier. Wie alle Bienen zusammen funktionieren, wie man mit ihnen arbeiten kann. Und die Produkte, die sie herstellen, sind wunderbar. Die Kombination von allem begeistert uns.
Für die meisten Leute gehören Bienen wohl zur Landwirtschaft und somit aufs Land. Sie machen es genau anders herum.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ausgerechnet auf den Dächern von Zürich Bienen anzusiedeln?
Leider sieht es in der Schweizer Landschaft zurzeit für die Insekten und Bienen nicht sehr rosig aus. Es hat viele Monokulturen und Landwirtschaft, welche die Nahrungsquellen und Nistplätze verdrängen. Das heisst, die Bienen finden keine Blüten, welche ihr Essen liefern. Bei den Wildbienen und anderen Insekten fehlen Plätze, wo sie leben können. Für uns war klar, dass wir in einem solchen Umfeld kein Geschäft aufbauen wollen. Dazu kommt, dass wir in der Stadt leben und sehr ungern mit dem Auto unterwegs sind. So sind wir auf die Idee gekommen, in der Stadt unsere Bienen zu halten.
Wo finden denn die Bienen im «Grossstadtdschungel» ihre Nahrung?
Hier herrscht eine enorme Biodiversität und Blütenvielfalt. An allen Ecken blüht etwas, Privatpersonen bepflanzen ihre Balkone, Gärten und Dachterrassen. Es gibt viele Schrebergärten und «Grün Stadt Zürich» sät grossflächig bienenfreundliche Pflanzen an. Nicht zu vergessen sind alle Flachdächer, die intensiv begrünt werden und ebenfalls Nahrung für die Bienen bieten. Durch diese Vielfalt geht es unseren Bienen gut und sie produzieren reichlich wunderbaren Honig.
Worin liegen die Unterschiede zwischen Stadt- und Landbienen?
Im Unterschied zu einer Imkerei auf dem Land ist der Platz in der Stadt begrenzt. Wir können pro Standort nur etwa 10 bis 15 Völker halten und das noch auf Dächern. Das heisst, der Aufwand für die Betreuung ist um einiges grösser. Die Art zu imkern, bleibt aber grundsätzlich die gleiche wie auf dem Land.
Wie reagieren die Leute darauf?
Bisher hatten wir nur positive Rückmeldungen. Manchmal sind die Leute zuerst etwas skeptisch – aber nachdem sie es erleben, finden sie es toll.
Mittlerweile haben Sie mit Ihrem Sohn einen dritten Imker im Bunde. Wie wächst er damit auf?
Er findet die Bienen toll. Wenn wir ihn fragen, ob er mit zu den Bienen will, lässt er alles andere stehen und liegen. Er ist auch ein richtiger Honigbär und würde am liebsten nur Honigbrötchen essen – zum Zmorge, Zmittag und Znacht.
Ein Bienenvolk zu unterhalten, ist sehr zeitaufwendig. Worin liegen die Herausforderungen in Ihrem Job?
Alles unter einen Hut zu bekommen. Wir haben sozusagen zwei Hauptsaisons – im Sommer die Bienen und im Winter den Honigverkauf. Alles konzentriert sich auf ein paar wenige Monate, in denen alles gleichzeitig stattfindet – die Betreuung der Bienen, die Honigernte, die Führungen für Schulklassen und Firmen, welche wir anbieten. Das braucht sehr viel Koordination und auch Rücksicht aufeinander.
Kann man von der Imkerei leben?
Ich lebe nun seit fast sechs Jahren davon. Tom arbeitet jeweils den Sommer über für uns und lebt Teilzeit von der Imkerei.
Gibt es Pläne, um noch mehr Standorte in weiteren Städten anzusetzen?
Im Moment sind wir nicht aktiv auf der Suche nach neuen Standorten. Wir möchten lieber noch mehr Öffentlichkeitsarbeit, Schulklassenführungen und Privat- sowie Firmenanlässe anbieten. Wir finden es sehr wichtig und auch interessant, das Thema zu verbreiten und die Leute zu sensibilisieren.