Musizieren hat einen positiven Einfluss auf die Entwicklung. So viel ist sicher, obschon die Forschung dieses Phänomen noch nicht vollständig erklären kann. Die Schweiz verfügt über ein grosses Musikangebot für Kinder. Selbst für ungeborene.
Stufengerechte Musikangebote für Kinder
Kinder, die musizieren, sind gelassen und konzentriert. Sie haben ein gutes Gedächtnis und sind vielleicht sogar schlauer, als sie ohne Musik wären. Das ist alles schön und gut. Doch mit diesem Wissen allein sind Eltern, die selbst kein Instrument spielen, nicht bedient. Wer im Internet nach «frühkindlicher Musikerziehung» googelt, wird von Angeboten geradezu überflutet. Und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Wann sollen Kinder anfangen zu musizieren? Welches Instrument sollen sie lernen? Und sollen sie zum Üben gezwungen werden? Der Familien-SPICK gibt Antworten auf all diese Fragen und mehr. Und stellt eine Auswahl konkreter Angebote näher vor.
Säuglinge und kleine Kinder
Wie Verena Oberholzer Pfister, Präsidentin des Vereins Eltern-Kind-Singen, sagt, lernen Kinder leichter eine Melodie spielen, wenn sie sie innerlich «singen» können. Die Musikpädagogin für Blockflöten und musikalische Früherziehung findet deshalb, Kinder sollten erst singen und danach ein Instrument spielen lernen. Der Verein Eltern-Kind-Singen fördert das frühkindliche Singen. «Hauptsächlich, indem wir Kursleitende aus- und weiterbilden», erklärt Oberholzer Pfister. «Auch halten wir die Kursliste auf unserer Website aktuell, sodass Familien ein Angebot in ihrer Nähe finden können.» Elter-Kind-Singen-Kurse gibt es mittlerweile in der ganzen Schweiz. «Besonders in den Zentren gibt es immer mehr Angebote», weiss die Vereinspräsidentin. Die Kurse finden zusammen mit einer Begleitperson statt. Die Kinder sollen lernen, sich etappen-weise von Mutter oder Vater zu entfernen und dann wieder zu den Eltern zurückzufinden. «Die Begleitperson kann Mutter oder Vater, Grosi oder Götti sein», ergänzt Oberholzer Pfister. «Das spielt keine Rolle.» Die Kurse finden sich online. Sie richten sich an Eltern mit Säug-lingen und kleinen Kindern, wobei die Altersgruppen auf den einzelnen Angeboten vermerkt sind.Auch die Knaben- und Mädchenmusik Basel (KMB) setzt auf musikalische Früherziehung. Allerdings sind die Kinder hier unter sich. «Die Kinder sollen die Welt der Musik persönlich entdecken», sagt Renata Zehtabchi von der KMB. Sie würden gemeinsam singen, tanzen und musizieren und auf spielerische Weise neue Fähigkeiten entwickeln. Die KMB bietet den Kindern auch Anschlusskurse. In einem ersten Kurs wird die musikalische Früherziehung mit Instrumenten wie Xylofon und Tamburin weitergeführt. Danach können Kinder auch Einzelunterricht nehmen und ein komplexeres Instrument erlernen. Besonders schön am Angebot der KMB ist, dass auch Kinder aus sozial schwachen Familien nicht verzichten müssen. «Göttibatze», der Pro Juventute Verein beider Basel, bietet finan-zielle Unterstützung für musische Kurse. Und auch die KMB selbst verfügt über einen Fonds zu diesem Zweck. In einem Interview mit der Basler «Tageswoche» bestätigte KMB-Vorstandsmitglied Joseph Anderrüti, die Schule heisse alle Musikfans willkommen – ob mit oder ohne passendes Budget. Die Kurse für musikalische Früherziehung finden sich online. Sie eignen sich für Kinder von vier bis sechs Jahren, allerdings bietet die KMB stufengerechte Kurse für Kinder aller Altersgruppen sowie für Erwachsene an.
Schwangere und Ungeborene
Selbst für Kinder, die das Licht der Welt noch nicht erblickt haben, gibt es musikalische Kurse. Denn ungeborene Babys hören bereits ab dem vierten Monat. Sie erkennen wiederkehrende Melodien, etwa in der Stimme der Mutter, wenn diese spricht oder singt. So lassen sich neugeborene Babys nachweislich mit bekannten Liedern aus der Schwangerschaft beruhigen. Studien belegen ebenfalls, dass entspannte Mütter entspannte Babys gebären. Deshalb lohnt es sich, während der Schwangerschaft regel-mässig sanfte Musik zu hören und abzuschalten. Die professionelle Opernsängerin Andrea Lang kam während ihrer eigenen Schwangerschaft auf die Idee, ihr musikalisches Dasein und ihre Mutterschaft zu verbinden. Im Musik & Klang in St.Gallen leitet sie heute musikalische Geburtsvorbereitungs- und Entspannungskurse. Die Kurse richten sich an werdende Mütter, die mithilfe von Musik ihre Ängste abbauen sowie ihre Schmerzen bewältigen wollen. Die Schwangeren gehen auf «musikalische Fantasiereisen» und geniessen «faszinierende Klänge», wie Lang auf ihrer Homepage schreibt. Allein oder in kleinen Gruppen mit bis zu drei Frauen. Anmelden kann man sich online.
Früh übt sich
Praktisch alle grossen Meister der Klassik hatten bereits in Kindestagen Kontakt mit Musik. Franz Liszt, Frédéric Chopin, Nicolò Paganini, Wolfgang Amadeus Mozart. Sie alle begannen ihre musikalische Laufbahn mit circa fünf bis zehn Jahren. Das ergibt Sinn: Aus der Hirnforschung ist heute bekannt, dass Kinder vor ihrem achten Geburtstag einfacher lernen, ein Instrument zu spielen. So fangen auch die heutigen «Wunderkinder» früh an, ihr Handwerk zu perfektionieren. Dabei glauben die Forscher, dass es sich in den meisten Fällen nicht um Genies handelt. Sondern um durchaus begabte Kinder, die mit einer Portion Glück und viel harter Arbeit die Spitze erklommen. Alma Elizabeth Deutscher etwa, die erst elfjährige Britin, die wie eine Erwachsene komponiert sowie Geige und Klavier spielt. Oder der Schweizer Äneas Humm. Der heute 21-jährige Opernsänger wusste bereits als kleiner Junge, dass er einmal auf der Bühne stehen würde. Dank dem Dokumentarfilm «Ein Wunderkind wird erwachsen – Äneas Humm auf dem Weg zu einer Weltkarriere» ist der Zürcher Bariton international bekannt. Aber auch ausserhalb der Klassik müssen sich Künstler, die mit ihrer Musik Karriere machen wollen, früh üben. Der Sänger Luca Hänni etwa ging mit 17 Jahren als Sieger der Casting-Show «Deutschland sucht den Superstar» hervor. Der Berner Popstar stammt aus einer ganzen Familie von Musikern und spielte als klei-nes Kind Schlagzeug und Klavier. Seine Familie hätte ihn allerdings niemals zum Musizieren verpflichtet. Der Sänger habe sich stets freiwillig mit Musik auseinandergesetzt.
Der Wunsch muss da sein
Neben dem Talent und dem Fleiss dürfte Freiwilligkeit die dritte entscheidende Komponente sein. Kindern verleidet der Musikunterricht schnell, wenn ihre Eltern sie zum Musizieren zwingen. Ebenso machen Kinder, die zu Hause ausschliesslich auf Wunsch ihrer Eltern üben, kaum Fortschritte. Nachwuchsmusiker müssen einen eigenen Wunsch hegen, besser zu werden und sich gerne mit ihrer Musik beschäftigen. Für Eltern bedeutet das, dass sie ihre Kinder durch frühkindliche Musikerziehung mit Gesang und Musik vertraut machen können. Sie können ihren Sprösslingen die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigen und sie unterschiedliche Instrumente ausprobieren lassen. Aber sie sollten sie keinesfalls unter Druck setzen.