Die Medien sind voller alarmierender Meldungen über gewalttätige Jugendliche. Oft sind Suchtmittel im Spiel. Fachpersonen aus Wirtschaft, Politik und Prävention haben sich für swissfamily an einen Tisch gesetzt, um das Phänomen zu analysieren. Sie sind sich einige: Die Welt der Erwachsenen ist herausgefordert.
Suchtverhalten bei Kindern und Jugendlichen
Suchtverhalten manifestiert sich in verschiedensten Formen. Wer sein eigenes Alltagsverhalten genauer unter die Lupe nimmt, kann leicht Ansätze eines Suchtverhaltens ausmachen. Der eine braucht unbedingt das neuste ElektronikProdukt, egal, was es kostet, die andere isst masslos Schokolade. Viele können die Arbeit nicht zur Seite legen und einige bekunden Mühe, das Internet und andere Medien sinnvoll zu nutzen. Psychische Merkmale abhängigen Verhaltens sind Freiheitsverlust, Suchtdruck, Leugnung und Kontrollverlust.
Alkohol ist ein sozial und kulturell fest verankertes Genussmittel. Sich Zeit nehmen, genussvoll ein gutes Glas Wein trinken und wissen, wann es gilt, Nein zu sagen, beschreibt die angenehme Seite des Alkohols. Die unangenehmen Alkoholgeschichten haben Arbeitslosigkeit, körperliche Beschwerden, zerrüttete Beziehungen zur Folge. Zunehmend macht das absichtliche Rauschtrinken Jugendlicher grosse Sorgen. Trotz Jugendschutz konsumieren in der Schweiz 25% der 11 bis 15Jährigen regelmässig Alkohol. 28% dieser Altersgruppe waren mindestens schon zweimal betrunken. Immerhin darf konstatiert werden, dass die Werte seit 2002 leicht rückläufig sind. Leider geben viele Eltern ein schlechtes Vorbild ab, denn unter dem Suchtverhalten der rund 50000 erwachsenen Alkoholiker leiden die Familienangehörigen, darunter zahllose Kinder. Trotzdem bleiben viele Suchtmittel im Trend – nicht zuletzt wohl dank der werbetechnischen Bestrebungen der Alkohol und Tabakindustrie. Was ist zu tun? Welche gesetzlichen Regelungen könnten Abhilfe schaffen? Sind die Produzenten oder die Verteiler in die Pflicht zu nehmen? Sind wir alle gefordert? Kidy swissfamily hat zusammen mit Pro Familia Schweiz zum Gespräch eingeladen.
swissfamily: Die Medien betreiben eine Skandalisierung der Thematik. Immer mehr Gebote und Verbote werden gefordert – unter anderem der Massnahmenkatalog des BAG, der in den Sommerferien für Aufsehen sorgte. Das fördert doch nur das Sektierertum in der Gesellschaft und auf den Präventionsfachstellen?
Konrad Studerus: Zum Teil stimmt die Aussage. Doch was sich im Vergleich zu früher teilweise verändert hat, ist die kulturelle Einbettung des Genussmittelkonsums bei Jugendlichen. Ich selber wurde als junger Bursche im Alter von siebzehn Jahren von meinem 5 Jahre älteren Bruder in den Alkoholkonsum eingeführt und bereits auch auf die Gefahren aufmerksam gemacht. Heute berichten die Medien, dass bereits Kinder unkontrolliert Alkohol konsumieren. Mir ist aber aufgefallen, dass dabei die immer gleichen, gestellten Bilder verwendet werden.
Hans Peyer: Ich äussere mich zur Frage als Privatmann, nicht als Vertreter von GastroSuisse, denn das Suchtverhalten von Kindern und Jugendlichen wirkt sich auf das Gastgewerbe nicht direkt aus. Die Jugendlichen meiden die «Beizen», wenn es ums Rauschtrinken geht. Alkohol ist andernorts viel billiger zu haben. Als Mensch mit offenen Augen und Ohren glaube ich, wie viele andere auch, aber eine gesamtgesellschaftliche Veränderung im Umgang mit Genuss beziehungsweise potenziellen Suchtmitteln feststellen zu müssen.
Sadi Bruegger: Eine negative Entwicklung bei den Jugendlichen und in den Familien kann ich bestätigen. So gesehen betreiben die Medien wohl keine Skandalisierung, sondern bilden ab, was gesellschaftlich ist. Ich sehe im Ausgang Kinder mit einer Flasche Alkopop in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand. Wir haben ein reales Problem vor uns. Die ZigarettenProduzenten fordern deshalb eine nationale Alterslimite für den Tabakkonsum von 18 Jahren und keinen Flickenteppich kantonaler Regelungen. Wir wollen, dass nur gut informierte Erwachsene Tabak konsumieren. Wichtig ist, dass die Schnittstellen des Konsums, die Verkaufsstellen, stärker für Kommunikation und Prävention genutzt werden.
Konrad Studerus: Bezüglich Alkoholkonsums sind gesetzliche Limiten für den Verkauf gegeben (16/18 Jahre). Doch die geltenden Alterslimiten werden konsumseitig nicht durchgesetzt. Ich frage mich, warum? Wieso sollten nicht auch die Konsumenten, im vorliegenden Fall Kinder, bestraft werden?
Urs Rohr: Ich will auf die Frage nach dem Sektierertum zurückkommen. Die Präventionslandschaft ist breit. Am einen Ende derselben riecht es wirklich nach Sektierertum. Uns von der Suchtpräventionsstelle der Stadt Zürich geht es aber nicht um eine abstinente Gesellschaft. Doch die Zahlen belegen, dass wir bei den Jugendlichen noch immer ein ernsthaftes Problem haben, auch wenn deren AlkoholKonsum in letzter Zeit etwas rückläufig ist. Doch stellen wir fest, dass sich sehr junge Kinder berauschen. Und dies in einer absolut vorsätzlichen, rein funktionalen Weise. Was die Medien unter Schlagzeilen wie «die WodkaKids vom Hauptbahnhof» berichten, ist aber meist übertrieben und absolut unnütz. Von einer derartigen Berichterstattung wollen wir uns distanzieren.
Jacqueline Fehr: Dramatisieren bringt gar nichts. Die Jugendlichen sind im Allgemeinen sehr gewieft im Umgang mit der Erwachsenenwelt. Dafür verdienen sie unsere Anerkennung und unseren Respekt. Jugendgewalt, auch äusserst brutale Schlägereien, hat es schon früher gegeben. Jede Generation muss diese Phänomene ernst nehmen, denn jede Generation ist mit anderen Herausforderungen konfrontiert. Die heutige Jugendgeneration – und auch deren Eltern – steht beispielsweise knallharten, renditeorientierten Konzernen gegenüber. Diese Marktmächte setzen alles daran, ihre Produkte zu verkaufen. Und was verkauft wird, wird auch konsumiert. Jugendliche kaufen nicht eine Dose Bier, um damit Blumen zu giessen. Wer also will, dass weniger getrunken wird, muss auch weniger verkaufen wollen. Das heisst, der Absatz muss durch Alterslimiten, Reduzierung der Verkaufsstellen oder Verteuerung der Substanzen eingeschränkt werden. Die einfache Verfügbarkeit ist der wichtigste Faktor für den Konsumentscheid. Noch 2006 durfte entlang der Street Parade kein Alkohol ausgeschenkt werden. Ein Jahr später wurde an der Strasse auf Druck der entsprechenden Unternehmen Alkohol verkauft. Effekt: Die Anzahl der Schwerstbetrunkenen hat sich verdoppelt.
Hans Peyer: Ich glaube nicht, dass solche Limitierungen viel nützen. Wer Alkohol kaufen will, findet immer Wege.
Konrad Studerus: Dass die Verfügbarkeit den Konsum beeinflusse, erachte ich grossenteils als Irrlehre. In Skandinavien ist die Verfügbarkeit stark eingeschränkt. Das hat dazu geführt, dass sich ein grosser Schwarzmarkt entwickelt hat. Denn Alkohol ist leicht herstellbar. Alkopops sind wegen dem hohen Zuckergehalts wirklich gefährlich. Man hat deren Besteuerung erhöht. Doch was ist passiert? Der Konsum hat sich einfach auf andere alkoholische Produkte verlagert oder die Alcopops werden von den Jugendlichen selbst gemixt.
Urs Rohr: Es geht uns ja nicht um Totalverbote. Doch um die Alkopops und den Verlagerungseffekt, den ich bestätigen kann, anzusprechen: Als ich in jugendlichem Alter war, hat eine Flasche Wodka CHF 40.- gekostet. Heute ist die gleiche Menge Wodka für CHF 14.- zu kaufen. Eine solche Preispolitik schafft immer neue Anreize. Die Verlagerung ist also wenig überraschend. Unser Ziel besteht wirklich nicht darin, den Genussmittelkonsum einzuschränken. Wir wollen ein subtiles Anreizsystem schaffen, das zu einem verantwortungsvollen Konsum beiträgt. Die wirksamste Massnahme besteht hierbei darin, den Zugang zu Suchtmitteln zu erschweren.
Sadi Bruegger: Es kann doch nicht sein, dass die breite Mehrheit der Bevölkerung, die keine Suchtprobleme hat, unter solchen Massnahmen leidet.
Jacqueline Fehr: Konsumverhalten hat immer auch kulturelle Ursprünge. Europa kennt eine jahrtausendealte AlkoholKultur, während der arabische Raum z.B. eine ausgeprägte RauchKultur aufweist. Das führt dazu, dass wir uns dem Alkoholkonsum gegenüber übermässig sicher fühlen. Wir lassen die Leute lange gewähren. Beim Tabakkonsum oder beim Cannabis wird weit schneller eingeschritten.
swissfamily: Darf die Leserschaft von den Vertretern der Wirtschaft wissen, welche Massnahmen sie als geeignet erachten, den Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen zu stoppen?
Konrad Studerus: Die Anzahl der Verkaufsstellen ist in den letzten 20 Jahren vergrössert worden. Trotzdem ist der Gesamtkonsum an Alkohol – das sind Zahlen der eidgenössischen Alkoholverwaltung – um 23 % rückläufig. Noch ein Beweis, dass es zwischen Verfügbarkeit und Konsum keinen Zusammenhang gibt. Interessanter ist aber die Verschiebung in der Alterspyramide der Konsumenten. Ich kann nicht genau sagen, wie viele Kinder Alkohol konsumieren. Es sind sicher zu viele. Ich plädiere dafür, dass den Jugendlichen der vernünftige Umgang mit Alkohol beigebracht wird. Aber nicht zu früh! Deshalb braucht es eine strikte Alterslimite für den Alkoholkonsum. Wer gegen diese Alterslimite verstösst, soll auch schon im Kindesalter bestraft werden. Das liegt hauptsächlich in der Verantwortung der Eltern. Aber auch Aussenstehende können und sollen einschreiten, wenn sie etwas Konkretes beobachten.
Jacqueline Fehr: Es gehört eben zur Adoleszenz, dass man sich aus dem Einflussbereich der Eltern löst. Die Eltern verlieren just im sensibelsten Alter der Jugendlichen den nötigen Einfluss auf diese. Die Forderungen der Wirtschaft an die Adresse der Eltern sind unerfüllbar und heuchlerisch. Sie lenken von der eigenen Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung ab.
Hans Peyer: Ich bin absolut überzeugt davon, dass Eltern den Jugendlichen ein konsequentes Vorbild sein müssen. Wenn Kinder sehen, dass die Erwachsenen keine Probleme mit Alkohol haben, ist das ein Vorbild für sie. Dadurch können sie lernen, ebenfalls damit umzugehen.
Jacqueline Fehr: Die Mehrheit der Jugendlichen fängt ausserhalb des Elternhauses an, Suchtmittel zu konsumieren, in Vereinen, an Partys, im Militär oder wo auch immer. Die Eltern sind darauf angewiesen, dass ihre Kinder dort ebenfalls verantwortungsvolle Menschen antreffen.
Urs Rohr: Eine Erschwerung der Sache stellt auch der allgemeine Wertezerfall in der Gesellschaft dar. Ich gehe mit Herrn Studerus einig, dass man bei den Kindern vielleicht etwas deutlicher sanktionieren sollte. Doch bei den Jugendlichen ist es für die Eltern schwieriger. Welche Werte sollen sie den Jugendlichen vermitteln? Und wo sollen sie diese Werte glaubhaft herholen? Was auch immer sie ihren Zöglingen zu Hause an Werten vermitteln: Auf der Strasse werden sich diese nicht bestätigen lassen.
swissfamily: Was können Eltern konkret tun, damit ihre Kinder nicht schon als Jugendliche süchtig werden?
Urs Rohr: Eltern können eine wichtige Basis legen. Bereits nach der Geburt geht es darum, dem Kind ein gutes Körpergefühl und ein gesundes Selbstvertrauen zu vermitteln. Später werden Eltern zu Vorbildern. Kinder sehen ganz genau, wie ihre Eltern mit den einschlägigen Substanzen umgehen. Das ist ein entscheidendes Lernfeld. Im Alter von sechzehn oder siebzehn Jahren ist es zu spät. Dann suchen die Jugendlichen Freiräume und entziehen sich dem elterlichen Einflussbereich. Dann ist es wichtig, nicht hysterisch zu reagieren, wenn einmal etwas vorfällt. Nur so können Eltern mit ihren Jugendlichen im Gespräch bleiben.
Jacqueline Fehr: Eltern sind eine sehr wichtige Basis für das Aufwachsen der Kinder. Doch auch ausserhalb des Elternhauses in der Gesellschaft sollten Jugendliche vertrauenswürdige Partner finden können. Eltern erziehen ihre Kinder in einem zunehmend schwierigeren Umfeld. Statt sie zu unterstützen, zeigt man mit dem Finger auf sie und macht sie für Entwicklungen verantwortlich, bei denen sie nicht Täter, sondern ebenfalls Opfer sind. Die meisten Eltern wünschen sich beispielsweise nichts sehnlicher als weniger Konsumanreize und Werbung für ihre Kinder.
Konrad Studerus: Ich kann diese Aussagen von Jacqueline Fehr weitgehend unterstützen. Doch gegen ein Werbeverbot würde ich mich entschieden wehren, auch weil es ein Ablenkungsmanöver ist. Wir müssen Kräfte aufbauen, um den schädlichen Modeströmungen im Genussmittelkonsum zu begegnen. Das hat nichts mit der MarkenWerbung zu tun. Wir kommen nicht darum herum, das direkte und möglicherweise ungemütliche Gespräch mit den Kindern und Jugendlichen zu führen.
Urs Rohr: Es ist doch genau die Werbewirtschaft, die Moden schafft oder solche für den Absatz nutzt. Werbung schafft ein cooles, junges Image. Wenn sich sogar Köbi Kuhn da einspannen lässt, kann es nicht mehr gut kommen.
Sadi Bruegger: Die Tabakindustrie hält sich an eine Vereinbarung mit der Schweizerischen Lauterkeitskommission. Diese setzt sich für Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation ein. JT International schränkt seine Werbung aber noch über die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinausgehend ein. Ich will aber noch festhalten, dass Werbung den Konsum nicht zu steigern vermag. Es geht uns in der Werbung nicht darum, den Gesamtkonsum zu steigern. Wir wollen uns von konkurrierenden Marken abheben.
Jacqueline Fehr: Sicher hat das Konsumverhalten nicht nur mit Werbung zu tun. Doch zu sagen, dass die Werbung nicht zu Mehrkonsum stimuliert, ist doch etwas blauäugig. Je mehr Werbung, desto mehr Arbeit für das Gegengewicht, für die Suchtprävention.
Sadi Bruegger: Wir als Produzenten wollen eigentlich mit Erwachsenen als Konsumenten kommunizieren und nicht mit Kindern und Jugendlichen.
swissfamily: Es scheint nicht nur um die Stärkung der Kinder, sondern auch um eine Stärkung der Erwachsenen als Vermittler einer vernünftigen Trink und Rauchkultur zu gehen.
Konrad Studerus: Beim Alkoholkonsum braucht es einen gesellschaftlichen Konsens. Ein Kind unter sechzehn Jahren – auf welchen Wegen es auch immer zu Alkohol gekommen ist – darf diesen niemals trinken. Das Verkaufsverbot reicht nicht aus, denn es wird umgangen. Es braucht zusätzlich ein Konsumverbot für Kinder unter sechzehn Jahren – auch um ein klares Signal zu setzen, was die Gesellschaft als richtig erachtet.
Urs Rohr: Ein Konsumverbot hat kaum einen Einfluss aufs Konsumverhalten. Das zeigen die Erfahrungen bei den harten Drogen. Was nützt, ist gegen die Händler und Dealer vorzugehen.
Hans Peyer: Als Vertreter der GastroBranche beobachte ich, dass nur schon die lockere soziale Kontrolle durch die in einem gastgewerblichen Betrieb anwesenden Gäste im Normalfall ausreicht, dass es massiv weniger Probleme gibt. Die grösste Schwierigkeit stellt eindeutig das Feststellen des Alters dar, speziell dann, wenn gezielt für entsprechende Kontrollen ausgewählte und dementsprechend «gestylte» Jugendliche auf die Betriebe angesetzt werden.
Urs Rohr: Der gefährlichste Teil des Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen findet tatsächlich nicht in Restaurants statt. Doch ich will noch auf die Aussagen von Herrn Studerus antworten: Warum sollen jene die Verantwortung tragen, welche dies noch nicht können? Ich sehe die Verantwortung eher bei den Produzenten und den Detailhändlern, z.B. auch beim sogenannten «Türken an der Ecke». Oft aber sind diese Detaillisten überfordert. Sie brauchen Beratung.
Jacqueline Fehr: Alkohol als «unser KulturSuchtmittel» wird nun endlich hinterfragt. Das ist bereits der erste Schritt, der uns helfen wird, das Problem nüchtern anzugehen. Wir waren in der Vergangenheit zu fahrlässig im Umgang mit diesem Risikostoff. Es braucht nicht weitere strafrechtliche Regelungen, sondern ein anderes Risikobewusstsein und eine daran angepasste Verfügbarkeit der Suchtmittel. Für den normalen, unproblematischen Alkoholkonsum ist man nicht auf den Einkauf nach 21 Uhr angewiesen.
Sadi Bruegger: Ideal wäre eine KulturVermittlung durch Gleichaltrige. Es gibt solche Ansätze in der Stadt Zürich. Zudem sollte in die Weiterbildung und Aufklärung der Detaillisten investiert werden.
swissfamily: Was können Eltern schon bei Kindern tun, um ein späteres Suchtverhalten zu verhindern?
Jacqueline Fehr: Wer gerne ein Glas Wein zum Essen trinkt, soll das auch vor den Kindern tun. Und wer mal zu viel getrunken hat, soll die Kopfschmerzen danach nicht verneinen. Beim Rauchen gilt dasselbe, nur sollten dort die Eltern Rücksicht auf die Gesundheit der Kinder nehmen, indem sie nicht in der Wohnung rauchen. Kinder brauchen ehrliche und authentische Vorbilder. Eltern müssen auch bei Schwächen und Niederlagen den Kindern in die Augen schauen können. Perfekte Menschen sind Trug, nicht Vorbilder.
Massnahmenkatalog BAG
Im Juli stellte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen Massnahmenkatalog zur Bekämpfung übermässigen Alkoholkonsums vor. Der Katalog hat hohe Wellen geworfen und ist insbesondere bei der Boulevardpresse negativ aufgenommen worden. Folgende Massnahmen aus dem Katalog zielen auf das diskutierte Rauschtrinken von Kindern und Jugendlichen ab:
- Betreibung von Alkoholprävention an Schulen für die Zielgruppe Teenager.
- Alkoholprävention bei Jugendlichen im ausserschulischen Bereich.
- Verpflichtung zu einem Jugendschutzkonzept für bewilligungspflichtige Publikumsanlässe.
- Schliessen von Angebotslücken bei der Hilfe für Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien.
- Verkaufsverbot zwischen 21.00 und 07.00 Uhr für alkoholische Getränke im Detailhandel.
- Förderung des Ausschanks kostengünstiger, alkoholfreier Getränke.
- Differenzierung des Erscheinungsbildes von alkoholfreien und alkoholhaltigen Bieren.
- Schulung von Verkaufs und Servicepersonal im Umgang mit der Alkoholabgabe an Jugendliche und angetrunkene Personen.
- Systematische Vollzugskontrolle der Jugendschutzbestimmungen sowie Sanktionen bei Widerhandlungen
- Einführung von Richtlinien zur Ausweispflicht für den Kauf alkoholischer Getränke.
Beratungsstellen und Links zum Thema
feelok ist ein internetbasiertes multithematisches Computerprogramm, das auf der Grundlage von wissenschaftlichen Kenntnissen entwickelt wurde. Das Interventionsprogramm hat als Ziel, die Gesundheit und das Wohlbefinden Jugendlicher zu fördern sowie dem risikoreichen Verhalten bzw. dem Suchtmittelkonsum vorzubeugen.
Das Blaue Kreuz ist eine international tätige Organisation der Suchthilfe, spezialisiert auf Alkohol. Es engagiert sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit Suchtmitteln und bekämpft die Folgen des Missbrauchs. Die Arbeit des Blauen Kreuzes orientiert sich an anerkannten fachlichen Konzepten und basiert auf dem christlichen Glauben. Es steht Eltern von süchtigen Kindern mit Rat und Tat zur Seite.
«Gesundheit» wird bei Voilà ganzheitlich verstanden. Entsprechend ist es das Ziel von Voilà, sowohl das psychische als auch das physische und soziale Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen zu steigern und sie damit in ihrer gesunden Entwicklung zu unterstützen
CIAO.ch est un site internet destiné aux adolescents de Suisse romande. Le projet CIAO passe sur internet. Ses principaux objectifs sont d’offrir un outil d’information, de prévention et de promotion de la santé dans une dizaine de domaines intéressant les jeunes, tels que les drogues.
Personen:
Konrad Studerus
ist seit 25 Jahren Direktor des Schweizer BrauereiVerbandes. Obwohl Konrad Studerus aus einer grossen Familie stammt, hat er keine eigenen Kinder. Studerus lebt seit einem Vierteljahrhundert in treuer Partnerschaft mit einer Pädagogin (Schulrektorin), ist aber nicht verheiratet. Doch Studerus interessiert sich sehr für seine Neffen und Nichten und kümmert sich auch um diese. Aus seinem weiteren familiären Umfeld, das über 60 Personen umfasst, sind ihm zwei Personen mit Alkoholproblemen bekannt. Doch sei es beiden gelungen, das Problem innerhalb der Kernfamilie aufzufangen und so zu lösen. Konrad Studerus amtierte im Kanton Zug 15 Jahre lang als CVPKantonsrat.
Urs Rohr
wohnt in der Stadt Zürich gleich hinter der «Grossbaustelle Letzigrund» in einer kinderfreundlichen Siedlung. Er ist Vater einer neunjährigen Tochter die er – in eigenen Worten – getrennt erzieht. Seit acht Jahren arbeitet Rohr in der städtischen Suchtpräventionsstelle. Er ist «Bereichsleiter Jugend» und als solcher verantwortlich für Jugendliche nach der obligatorischen Schulzeit – hauptsächlich Lehrlinge und Mittelschüler. Die Fachstelle richtet sich, um ihre Ziele zu erreichen, aber weniger an die Jugendlichen selber. Angesprochen werden hauptsächlich deren erwachsene Bezugspersonen wie Lehrmeister, Berufsschullehrer und Jugendarbeiter.
Hans Peyer
ist seit 30 Jahren bei «GastroSuisse» tätig. Derzeit ist er stellvertretender Direktor des nationalen ArbeitgeberVerbandes für Hotellerie und Restauration. In dieser Funktion muss er regelmässig mit Politikerinnen und Politikern an einen Tisch sitzen, um für anstehende Probleme rund ums Gastgewerbe Lösungen zu finden. Peyer ist nach eigenen Angaben seit langer Zeit glücklich verheiratet und Vater zweier Söhne im Alter von 28 und 26 Jahren. Bei beiden Söhnen sei bis heute kein Suchtverhalten erkennbar geworden. Dies führt Hans Peyer unter anderem auf die idealen, gesellschaftlichen und familiären Rahmenbedingungen innerhalb seiner Familie und in seiner Wohngemeinde Küsnacht (ZH) zurück.
Sadi Bruegger
ist Verantwortlicher für die Unternehmenskommunikation bei JT International – einem ehemaligen Monopolisten in Japan, der sich aber mittlerweile zu einem privaten Mischkonzern mit Schwerpunkt bei der Zigarettenproduktion entwickelt hat. Zigarettenmarken wie Winston und Camel gehören dem Konzern. In ZürichHöngg aufgewachsen, hat Bruegger die Drogenproblematik als Jugendlicher auf seinen verschiedenen Wegen in die Stadt hautnah miterlebt. Sadi Bruegger ist ledig, lebt aber seit fünf Jahren in einer festen Partnerschaft. Er ist seit zehn Monaten stolzer Onkel einer Nichte.
Jacqueline Fehr
ist SPNationalrätin aus Winterthur. Sie setzt ihre politischen Schwerpunkte in der Familien und in der Suchtpolitik. Die beiden Politikfelder haben viel miteinander zu tun, so die prominente Politikerin. Fehr ist Vizepräsidentin von Pro Familia Schweiz und Präsidentin der nationalen Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik (NAS). Die Nationalrätin hat einen elfjährigen und einen dreizehnjährigen Sohn. Der Ältere sei nun in einer Phase, in dem Fragen rund um Ausgang, Umfeld, Grenzen und Suchtmittel eingehend diskutiert werden müssen. Als Sekundarlehrerin unterrichtete sie in der Stadt Zürich zu einer Zeit, in der die Drogenproblematik rund ums Schulhaus ausgesprochen virulent war. Das habe ihren Blick für die Wirklichkeit geschärft.