Artikel / Themen

TikTok – welche Risiken sollten Eltern kennen?

TikTok ist die Social-Media-App, welche die meisten Kinder und Jugendlichen nutzen und auf der man Kurzvideos anschauen oder selbst posten kann. Angefangen als Plattform für Tanz- und Playback-Videos, ging es bei TikTok schon immer um reine Unterhaltung.

Bild: © Kaspars Grinvalds/shutterstock.com

Die positive Seite von TikTok ist, dass schon junge Nutzer vielfältige, kreative Möglichkeiten haben, sich zu verwirklichen, innovative Techniken des Filmens auszuprobieren und dabei die eigene Medienkompetenz zu fördern. Aber sind wir mal ehrlich: Viele Kinder und Jugendliche verfolgen dabei das Ziel, möglichst erfolgreiche Inhalte zu produzieren und damit berühmt zu werden.

Das Problem dabei ist, dass bei den Kurzvideos auf TikTok, noch mehr als bei anderen Plattformen, der Grundsatz gilt: je extremer, desto erfolgreicher. Und so wundert es nicht, dass viele Videos grenzüberschreitende Inhalte zeigen, welche nicht kindsgerecht sind, so wie z. B. Gewaltvideos oder andere verletzende, destruktive Inhalte.

Weshalb TikTok besonders bedenklich ist

Es ist auch bekannt, dass solche schockierenden Inhalte, welche natürlich entsprechend hohe Aufmerksamkeit erhalten, von der Plattform gezielt gepusht werden, damit sie noch mehr Menschen erreichen. Im Gegensatz zu anderen Social-Media-Plattformen, welche klare Regeln und Strukturen haben, gerade in Bezug auf gewaltvolle Inhalte und dem Jugendschutz, gibt es bei TikTok kaum Regeln oder Einschränkungen.

Nebst Gewaltdarstellungen sind auch Falschinformationen oftmals in solchen Videos zu finden. Dabei werden oftmals kriegerische Konflikte genutzt, um Hass und radikalisiertes Gedankengut zu verbreiten. Aber nicht nur das: Erst kürzlich wurde die Existenz eines «National Rape Day» verbreitet, in dem angeblich sexuelle Übergriffe erlaubt seien.

Hinzu kommt, dass der chinesische Staat in der Unternehmensführung des Mutterkonzerns von TikTok sitzt und wohl auch gezielt Einfluss nimmt – wie genau, weiss man nicht. Was man weiss: Unseren Kindern werden Inhalte gezeigt, die chinesischen Kindern auf der entsprechenden Plattform (in China heisst TikTok «Douyin») niemals gezeigt würden, und zwar nicht wegen der Zensur.

TikTok-Challenges wohl grösstes Risiko

Ein grosses und weit verbreitetes Risiko sind die sogenannten TikTok-Challenges. Herausforderungen und Mutproben, deren Videoaufnahmen besondere Aufmerksamkeit erhalten und somit zum Nachahmen anregen.

Was die TikTok-Challenges zu einem besonders grossen Risiko macht, ist die Tatsache, dass solche Challenges teils eine so grosse Begeisterung beim jungen Publikum erzielen, dass sie sich auch schnell herumsprechen und ganze Trends in Schulhäusern auslösen. Somit erreichen diese Challenges auch viele Kinder, welche erst gar kein Handy, geschweige denn TikTok, haben. Man kann sein Kind also kaum vor diesem Risiko schützen, was für Eltern natürlich bedenklich ist.

Zwei aktuelle und für Kinder sogar tödliche Beispiele

Aktuell hält die «Hot-Chip-Challenge» Eltern und Schulen auf der ganzen Welt und auch in der Schweiz in Atem. Der schärfste Chip der Welt, welcher niemals mit blosser Hand, sondern nur mit einem mitgelieferten Gummihandschuh angefasst werden sollte, wird verzehrt und die Reaktion auf Video festgehalten. Der Verzehr kann unter anderem zu Atemproblemen führen und da der Hot-Chip nicht für Kinder geeignet ist, mussten schon mehrere Schulen wegen dieser Challenge den Rettungsdienst alarmieren.

Mittlerweile hat man diese Challenge erweitert durch eine Salt-Chip-Challenge (extrem salzig) und eine Sour-Chip-Challenge (extrem sauer). Man möchte sich gar nicht vorstellen, was passiert, wenn ein Kind mit Asthma zu einer solchen Challenge animiert wird. Leider gab es tatsächlich auch schon Todesfälle von Kindern und Jugendlichen durch diese gefährliche Challenge.

Eine weitere grosse Gefahr geht von einer altbekannten Challenge aus, welche aktuell leider wieder an Popularität gewinnt, auch in der Schweiz. Gemeint ist die sogenannte «Blackout-Challenge» oder «Würge-Challenge». In dieser würgen sich Kinder gegenseitig oder selbst bis sie in Ohnmacht fallen. Leider bleibt es nicht immer bei einer Bewusstlosigkeit, hat diese Challenge schon mehrere Kinder in ein Koma oder gar in den Tod gerissen.

Dies sind aber nur einzelne Beispiele, es gibt viele weitere destruktive oder gar gefährlich Challenges. Eine davon hat zu mehreren Bränden in deutschen Schulen geführt – dazu findest du einige Videos auf meinem Youtube-Kanal «Lösungen für die Medienerziehung».

Wer trägt hier eigentlich die Verantwortung?

Offiziell ist TikTok erst ab 13 Jahren zugelassen, gewisse Funktionen sogar erst ab 16 Jahren. Das macht auch Sinn so, nur kann das Alter von Nutzern schwer überprüft werden und somit kann man ungehindert bei der Anmeldung ein beliebiges Alter angeben. Kinder können sich somit älter machen und trotz Altersbeschränkung die App nutzen.

Die Plattformanbieter wollen keine Verantwortung übernehmen, da eine Altersüberprüfung enorm aufwendig wäre. Die digitalen Fortschritte entwickeln sich so schnell, dass die Gesetzgebung kaum hinterherkommt, um in solchen Fällen Klarheit zu schaffen und den Jugendschutz durchzusetzen. Somit bleiben nur die Eltern, welche hier die Verantwortung übernehmen und für die Sicherheit ihres Kindes sorgen können.

Für die Eltern ist es wiederum eine grosse Herausforderung, die Handynutzung ihres Kindes zu kontrollieren, und hinzu kommt oftmals der soziale Druck aus dem Umfeld des Kindes. «Alle anderen haben aber auch TikTok» wird schon relativ früh von den Kindern argumentiert und die Angst bei den Eltern erzeugt, dass sie mit einem TikTok-Verbot für die soziale Verrohung ihres Kindes sorgen würden. ++

Tipps für Eltern im Umgang mit TikTok

Was sollten Eltern also tun? Verbote nützen zwar nicht viel, weil solche Challenges und Videoinhalte im Freundeskreis der Kinder thematisiert werden, aber sie schränken den Einfluss definitiv ein. So oder so sollten Eltern Interesse zeigen für die Medieninhalte, welche ihr Kind nutzt, und eine möglichst offene Gesprächsebene mit ihrem Kind zu diesem Thema suchen.

Das Kind sollte Vertrauen aufbauen können und wissen, dass seine Eltern auch irritierende und extreme Inhalte ihm gegenüber einordnen können. Dazu ist es ratsam, die Inhalte nach der Mediennutzung aufzugreifen. Dabei kann man sich verschiedene Fragen stellen, wie z.B. was ist mir Bekanntheit auf Social Media Wert? Könnten solche Videos später peinlich sein oder ein Problem für die Personen im Video werden? Darf man überhaupt solche Sachen posten und was ist verboten?

Es geht darum, dem Kind zu zeigen, dass man als Eltern auch mal lustige Unterhaltung schätzt und mit dem Kind lernt, Inhalte entsprechend bestimmter Kriterien einzuordnen. Eltern haben dabei eine einflussreiche Vorbildfunktion und helfen ihrem Kind Orientierung und Klarheit zu erlangen, wo gewisse Grenzen liegen. Eine solche Grenze könnte sein: Wenn ich mich oder andere gefährden könnte, sollte ich lieber die Finger davon lassen – trotz mitgeliefertem Gummihandschuh!