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Wenn der Geist nicht will, kann der Körper auch nicht mehr

Körper und Geist bilden eine Einheit. Leidet das eine, wird das andere beeinflusst. Das mag eine Binsenwahrheit sein. Dennoch schenken wir dieser im Alltag zu wenig Beachtung. Der erste Schritt zur Veränderung ist das Bewusstsein für den Zusammenhang. Und die Erkenntnis, dass es gar nicht so schwer sein muss, für Einklang zu sorgen. Einige Denkanstösse für den Alltag.

Bild: © Aonprom Photo/shutterstock.com

Es gab Zeiten, da galt: Gesund ist man, wenn der Körper gesund ist. Heute muss man keineswegs ein esoterischer «Schwurbler» sein, um zu wissen, dass dieses Bild nicht vollständig ist. Auch die Schulmedizin hat längst den Einfluss der Psyche auf den Körper erkannt – und umgekehrt. Zum Wohlbefinden gehört mehr als das Funktionieren aller Organe. Die mentale Gesundheit ist zum neuen Zauberwort geworden.

Mit allen Auswirkungen. Wurden mentale Aspekte früher vernachlässigt, ist heute ein ganzer Wirtschaftszweig daraus geworden. Trainer, Coaches, Kurse, Seminare: Unzählige neue Berufe drehen sich um die Psyche und wie sie stärker oder weiterentwickelt werden sollte. Wie so oft schlägt das Pendel damit in die andere Richtung aus: Früher glaubte man, es gehe von allein, heute denken viele, man müsse permanent an seiner mentalen Verfassung arbeiten.

Steigender Druck

Wobei man Letzteres heute wohl in der Tat mehr tun muss als früher. Der Leistungsdruck in der Wirtschaft und in der Gesellschaft wächst unaufhörlich, psychische Erkrankungen nehmen laufend zu. Natürlich wäre es sinnvoller, dem Stress ein Ende zu setzen, statt sich dauernd zu überlegen, wie man angesichts der Überlastung psychisch gesund bleibt. Aber dem Druck kann sich nicht jeder einfach entziehen. Deshalb bleibt oft nichts anderes übrig, als sich wenigstens so weit wie möglich zu schützen – indem man seinem «Innenleben» dieselbe Aufmerksamkeit schenkt wie dem Körper. Was nicht ganz einfach ist, denn der Gang ins Fitnessstudio wirkt sich sichtbar aus und scheint vielen deshalb nötiger als die mentale «Bewegung».

Aber wie kümmert man sich denn konkret um die Psyche? Und wenn man das tun will: Eröffnet man dann nicht einfach eine neue «Baustelle», die beackert werden muss und schafft damit einen neuen Stressfaktor?

Veränderungen im Alltag

Das Geheimnis liegt darin, seine Gewohnheiten so zu verändern, dass sich die Pflege der mentalen Gesundheit in den Alltag einbauen lässt. Denn sonst geht es uns wie mit dem Fitnessstudio: Das Abo ist gebucht und bezahlt, aber auch wirklich hingehen? Naja … Sehr viel zielführender sind kleine, aber fixe Leitplanken.

Um nicht permanent «flicken» zu müssen, lohnt es sich, ganz grundsätzlich über die eigenen Grenzen der mentalen Belastbarkeit nachzudenken. Was kann ich gut, was weniger, was kostet mich viel Kraft, was fällt leicht? Wo ist der Punkt erreicht, an dem «aufgeben» sinnvoller ist als weiterzumachen? Oft erkennt man das selbst nicht, aber im Gespräch mit dem Umfeld, das einen gut kennt, wird uns vieles bewusster. Es lassen sich persönliche Grenzen definieren. Grenzen müssen wir nicht nur uns selbst setzen, sondern auch anderen. Dazu gehört, auch mal Nein zu sagen. Diese definierten «Limits» müssen dann aber auch Gültigkeit haben und dürfen nicht dauernd übertreten werden.

Erholung als Leistungsförderer

Denn diese «Übertritte» registrieren wir oft nicht, weil wir die zweite Regel nicht beachten: die Signale wahrzunehmen. Eine mentale Belastung macht sich meist körperlich bemerkbar, aber wir tun das als Schwäche ab, die es zu überwinden gilt. Dabei hilft uns der Körper damit zu reagieren. Sprich: die Arbeit niederzulegen und beispielsweise einen Spaziergang zu machen, den «Kopf zu lüften». Der Wechsel zwischen aktiven Phasen und Erholungsphasen macht uns leistungsfähiger. Spitzensportler wissen das aus Erfahrung und weil sie sich mit dem Thema aktiv beschäftigen, sie treiben sich nicht unablässig zu Höchstleistungen, sondern sehen die bewusste Erholung als Teil des Trainingsprogramms – während wir «Normalen» sie oft mit Faulheit gleichsetzen.

Doch die Pflege der mentalen Gesundheit ist nicht zwangsläufig immer mit «Nichtstun» verbunden. Bei der körperlichen Gesundheit ist uns klar, dass man aktiv sein muss, um sie zu pflegen, dasselbe gilt für die Psyche. Nur eben, dass nicht die Leistung im Vordergrund steht. Sprich: Ein Hobby, eine Leidenschaft, die nicht direkt etwas «nützt», aber Spass macht und guttut, ist «Training» für das geistige Wohlbefinden. Auch wenn wir aus einer Laune heraus etwas lernen – eine zusätzliche Fremdsprache, etwas Künstlerisches – stimulieren wir unsere Psyche auf positive Weise.

Beziehungen pflegen

Was uns mental am besten tut, ist das, was derzeit leidet: soziale Kontakte, zwischenmenschliche Beziehungen, Nähe. In Zeiten von Corona ist das alles andere als einfach, vor allem für Menschen, die sich damit ohnehin schon schwertun. Tatsache ist aber, dass der Austausch mit anderen aktive Pflege unserer Psyche ist. Ironischerweise sind es aber gerade die persönlichen Beziehungen, die als erste leiden, wenn wir in Zeitnot geraten und der Pendenzenberg wächst.

Ganz egal, ob wir im Gespräch selbst etwas «abladen» oder einfach zuhören: Soziale Kontakte sind zentral, wenn es um mentale Gesundheit geht. Auch hier soll es nicht immer darum gehen, was es konkret «bringt». In den Fällen, in denen das nicht möglich ist, weil vielleicht das richtige Umfeld schlicht fehlt, gibt es Fachleute, die das beruflich tun. Immerhin ist das Tabu von psychischer Unterstützung durch Dritte heute viel kleiner als früher.

Zusammenfassend: Ja, Körper und Geist benötigen gleichermassen laufend Aufmerksamkeit. Wer aber aus der Pflege der mentalen Gesundheit auch gleich wieder einen Leistungssport macht, wird das Gegenteil erreichen.